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Apollofalter

Apollofalter

Titel: Apollofalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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gefaltet. Daumen und Zeigefinger spielten mit einem Brillantring, den Franca eine Spur zu groß und zu protzig fand. »Was ist denn genau passiert? Uns wurde lediglich mitgeteilt, dass sie tot in den Weinbergen aufgefunden wurde.«
    »Vor einer Mauer unter einem Heckenrosenstrauch«, bestätigte Franca. »Dort lag sie mit zertrümmertem Schädel. Anfangs war nicht ganz klar, ob es sich um einen Unfall handelte oder ob Gewalt mit im Spiel war. Aber inzwischen deutet alles auf ein Verbrechen hin.«
    Die Direktorin gab ein Geräusch von sich, das wie das Platzen eines Luftballons klang und hielt sich die Hand vor den Mund. Dann fasste sie sich wieder. »Welche Anhaltspunkte haben Sie für eine Gewalttat?«
    »Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen«, gab Franca zu. »Das wird auch noch eine Weile dauern. Momentan versuchen wir uns ein Bild zu machen, was für ein Mensch Hannah war und mit wem sie befreundet war. Deshalb bin ich hier.«
    »Natürlich ist es auch in unserem Interesse, dass die Umstände genauestens geklärt werden. Sie können mit meiner vollen Unterstützung rechnen«, sagte die Direktorin. »Wenn es sich tatsächlich um einen Mordfall handelt, dann wäre dies der erste an unserer Schule.« Sie schüttelte den Kopf. »Eigentlich undenkbar, dass man diesem Mädchen etwas antun konnte. Hannah war äußerst beliebt. Nicht nur eine sehr gute Schülerin, sondern auch ein fröhliches Kind, immer gut drauf. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wieso sich jemand an diesem Mädchen vergreifen konnte.«
    Franca dachte an den eben gesehenen Zweikampf im Schulhof. »Halten Sie es für möglich, dass einer Ihrer Schüler eine derartige Gewalttat begangen haben könnte?«
    Die Direktorin schaute sie durchdringend an. »Nein. Und zwar ein ganz klares Nein!«
    »Was macht Sie denn so sicher?« Franca bekam eine Ahnung, wie man sich als Schülerin hier an dieser Schule fühlen musste, Auge in Auge mit der obersten Feldherrin.
    »Sie meinen, wegen der negativen Berichterstattung in der Presse über die heutigen Schüler?« Wieder spielte sie mit ihrem Ring. Franca sah, dass der Lack am rechten Zeigefinger ein ganz klein wenig abgeblättert war. Ein winziger Riss in der ansonsten perfekten Fassade. »Dann glauben Sie auch, dass sämtliche Lehrer Faulenzer sind, die ihren Beruf einzig und allein wegen der langen Ferien ausüben?«
    Unangenehm ertappt wich Franca ihrem Blick aus.
    Die Direktorin lachte. »Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie sehr die Medien unser aller Meinungsbild prägen. Doch um auf ihre Frage zurückzukommen: Sehen Sie, Schüler haben sich immer geprügelt, zu allen Zeiten. Das ist nichts Neues. Die Gewalt an den Schulen ist nicht größer geworden. Auch wenn uns die Medien ein anderes Bild vorgaukeln wollen. Mein Kollegium und ich versuchen den Kindern und Jugendlichen zu vermitteln – und wie ich meine, erfolgreich zu vermitteln – dass Miteinander reden und Zuhören in jedem Fall besser ist als draufhauen. Draufhauen tun die Dummen und die Primitiven, die sich nicht artikulieren können. Und dumm und primitiv will verständlicherweise niemand sein.« Ein schmerzliches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. »Hannah war übrigens besonders gut im Argumentieren. Die wusste auch dann noch einen draufzusetzen, wenn wir Lehrer mit unserem Latein so ziemlich am Ende waren.«
    Franca dachte an Georgina. Ihre Tochter und Hannah hatten wohl doch so einiges gemein. Auch Georgina hatte durch ihr Mundwerk manchen Lehrer zur Verzweiflung gebracht.
    »Unterrichten Sie auch selbst?«
    »Ja. Deutsch und Englisch. In Deutsch war ich Hannahs Lehrerin.« Die Direktorin legte ihre Hände gegeneinander. Eigentlich hat sie Bauernhände, dachte Franca, grobe Hände, denen sie mit Brillantring und roten Nägeln den Anschein von Eleganz geben will.
    »Ihre Beiträge waren manchmal ganz erstaunlich. Obwohl sie körperlich nicht so weit entwickelt war, war sie sehr reif. Von einer tiefen Einsicht in die Dinge durchdrungen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Sie war eine große Bereicherung für die Klasse. Sie wird uns allen sehr fehlen.« Die Direktorin hob die Hände und senkte ein wenig den Kopf. »Außerdem war sie ein äußerst gewissenhaftes Mädchen. Den meisten ihrer Mitschüler geistig überlegen. Aber das hat sie nicht raushängen lassen. Sie wurde von allen akzeptiert. Auch bewundert, das ganz sicher. Weil sie sich für alle gleichermaßen einsetzte, wurde sie immer wieder zur

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