Apollofalter
beweglicher. Aber warum fragen Sie?« Ihr Blick war misstrauisch geworden.
»Wann ist Ihr Sohn am Sonntag aus dem Haus gegangen?«, fragte Franca.
»Er ist am Sonntag überhaupt nicht aus dem Haus gegangen. Er war den ganzen Tag hier.«
»Können Sie das bezeugen?«
»Wieso das denn?« Die Frau runzelte die Stirn.
»Waren Sie am Sonntag zu Hause?«, fragte nun Hinterhuber.
»Also ... nein. Sonntags gehen wir immer wandern, wenn das Wetter schön ist. Aber Nick hat uns gesagt, dass er zu Hause war. Warum sollte er lügen?« Die Frau schaute mit einem Mal sehr ängstlich. »Was wollen Sie von meinem Sohn?« Es klang wie: »Sie halten ihn doch nicht für einen Mörder!«
»Wir wollen ihm nur ein paar Fragen stellen«, sagte Franca.
»Kann ich dabei sein?« Damit ihr meinem Kind nichts tut !, stand in Frau Lehmanns Augen.
Franca schüttelte den Kopf. »Wir möchten gern allein mit ihm sprechen.«
»Ja, aber ...« Frau Lehmann verstummte und blieb unschlüssig vor der Tür stehen.
Nick lag in seinem Bett. Die Arme unter dem Rücken verschränkt. Sein Haar war zerzaust. Obwohl das Fenster einen Spalt offen stand, roch die Luft verbraucht.
»Hallo, Niklas.«
Er richtete sich auf. »Haben Sie Hannahs Mörder endlich gefasst?«, fragte er. Seine Stimme vibrierte. »Haben Sie endlich dieses Schwein überführt?«
»Noch sind nicht alle Tatbestände geklärt«, sagte Hinterhuber.
Nick sank auf sein Kissen zurück. »Hätte ich mir ja denken können.«
»Wo warst du am Sonntag Nachmittag, Nick?« Franca war vor sein Bett getreten.
»Zu Hause. Das hab ich doch schon gesagt.« Sein Gesicht wirkte verschlossen. Auf seiner Stirn blühten ein paar eitrige Pickel.
»Du warst nicht zufällig mit deinem Mofa in den Weinbergen unterwegs?«
»Quatsch!« Mit einem Schwung setzte er sich auf. »Wer behauptet denn so was?«
»Welche Farbe hat dein Mofa?«
»Es ist blau.«
Franca warf Hinterhuber einen vielsagenden Blick zu.
»Wieso fragen Sie mich das alles? Was soll das eigentlich?«, reagierte er aufgebracht.
»Ich hatte vorhin ein längeres Gespräch mit deiner Biologielehrerin. Sie sagte mir, dein Onkel arbeite mit Giftschlangen.«
»Ja, das stimmt. Aber was hat mein Onkel mit der Sache zu tun?«, fragte er verwundert.
»Du hast dich für die Schlangen interessiert?«
Er nickte. »Ich war ein paar Mal bei ihm im Werk und habe zugesehen, wie die Schlangen gemolken werden. Es sind Vipern. Ihr Gift wird zu Heilzwecken verwandt. Aber ...« Verunsichert brach er ab.
»Hannah wurde unmittelbar vor ihrem Tod von einer Schlange gebissen.«
»Was?« Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah er von einem zum anderen. »Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr.«
»Warst du wirklich am Sonntag zu Hause und nicht zufällig doch mit deinem Mofa unterwegs?«, schaltete Hinterhuber sich ein. »Wir glauben dir nämlich nicht.«
Der Junge wurde sichtlich nervös. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er stand vom Bett auf. Ging zu der Anlage. Drehte die Musik leiser.
»Ja. Ich geb’s ja zu«. Sein Rücken war ihnen zugewandt. »Ich war unterwegs. Aber nicht in den Weinbergen. Ich habe Hannah nicht getroffen. Das ist es doch, was Sie wissen wollen.« Er drehte sich um.
Franca sog geräuschvoll die Luft ein. »Wo warst du?«
»Ich bin ein bisschen rumgefahren. Über die Dörfer. Einfach so. Das mach ich oft.«
»Und das sollen wir dir glauben?«
Er hob die schmalen Schultern. »Wenn’s doch so ist.«
Franca streifte ihn mit einem Blick. »War es nicht so, dass du Hannah getroffen hast? Dass du sie mit einer Giftschlange töten wolltest. Und als das nicht funktionierte, hast du sie mit einem Schieferbrocken erschlagen?«
Er sah sie mit riesengroßen Augen an. Die durch sie hindurchzublicken schienen.
»Niklas? War es so? Und dann hast du eine halbe Stunde später auf ihrem Handy angerufen. Weil du dich vergewissern wolltest, ob sie vielleicht noch lebt? Ja?«
Plötzlich erwachte er aus seiner Erstarrung. Schüttelte heftig den Kopf. »Was Sie da vorhin gesagt haben. Dass Hannah von einer Giftschlange gebissen wurde. Jetzt verstehe ich erst ... Das ist ja unglaublich.«
27
Es war hell im Zimmer. Sonnenhell. Seine Augen waren geschlossen, aber er schlief nicht. Er hörte, wie jemand die Tür öffnete und leise wieder schloss. Schritte kamen näher. Er spürte die Anwesenheit einer menschlichen Person an seinem Bett. Noch immer hielt er die Lider geschlossen.
Schließlich legte sich sanft eine Hand auf seinen Arm.
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