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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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zurückgekehrt, aus dem Land des Südens mit all seinen Früchten und Chansons und seinem Duft von Lavendel nach Scholmerbach in das Fachwerkhaus meines Urgroßvaters Gustav, wo es dunkel war und draußen der Misthaufen vor sich hin stank wie zu aller Zeit.
    Apollonia saß stolz und schwanger und alleine in der Küche am Kohleofen und dachte noch lange an die Fenetres, die sie gesehen hatte mit spitzenverzierten Gardinen, in strahlendem Weiß oder hübschem Creme und Ecru, und dann La Toilette mit so schönen Krügen und Schüsseln aus bemaltem Porzellan, sie waren auch merveilleux gewesen, ganz zu schweigen von les Dessous de les Madames dans les Vitrines du les Magasins ….
    Hier aber saß sie und schälte Bohnen in der alten, fleckigen Blechschüssel, und die alte graue und blaue Wäsche hing dampfend auf der Spinne über dem Kohleofen, und es gab keine schönen Gardinen, weil Klemens meinte, so was seien doch nur Fetzen.
    Es gab keine Palmen und keine Meeresfrüchte und keinen Lavendel.
    Aber es gab Wälder und Erde und Steine. Basalt und Braunkohle und Brauneisenstein. Den Bäumen war es egal, ob der Wind wehte oder der Blitz einschlug, weil die Bäume tausend mal tausend Jahre alt waren, und sie standen immer noch. Den Steinen war es egal, dass sich der Mensch welche herausbrach, um vielleicht den Kölner Dom zu bauen. Die Erde schien es nicht zu stören, dass sie durchbohrt und durchgraben und von Loren durchfahren wurde wie von eisernen Regenwürmern.
    Wer keine Bäume schlug und nicht auf dem Feld und im Stall arbeitete, der ging in die Grube oder in den Steinbruch.
    Die Wälder umsäumten die Dörfer und zogen sich über weite Hügellandschaften und wichen den Feldern von Kartoffeln und Weizen und Rüben und Kraut. Auf den Anhöhen waren sie zum Schutz vor dem Wind stehen geblieben und überragten sogar die Kirchtürme ringsumher, ob nun von Böllsbach oder von Linnen, von Pfeiffensterz oder von Wennerode, von Ellingen oder Hellersberg, von Wällershofen oder von Scholmerbach. Die Kirchtürme waren katholisch und evangelisch und wieder katholisch, und die Glocken läuteten am Morgen und am Abend und zum Kirchgang und zu Pfingsten und zur Wiederauferstehung und zu Herzjesu und zur Himmelfahrt und zum Weißen Sonntag und zum Sterben die Glocken.
    Meine Großmutter Apollonia hat gesagt, in den schlechten Zeiten waren die Kirchen und die Wirtshäuser immer voll.
    1933, als in Scholmerbach noch die Kreissäge stillstand und in den Steinbrüchen vom Jammertal kein Hammerschlag zu hören war, da waren die Bänke der kleinen Dorfkirche besetzt bis auf den letzten Platz, und die Männer mussten stehen. Mein Großvater Klemens sang die Kirchenlieder, so laut er konnte, das »Großer Gott, wir loben dich«, da schwoll ihm die Brust, da fühlte er sich dem Herrgott so nahe, so nahe wie er Gott in Frankreich gewesen war, denn Klemens war auf der ganzen Welt dem Herrgott verbunden, aber in Scholmerbach, in der Dorfkirche, da war er besonders emporgehoben, wenn der alte Heens Alwis Harmonium spielte, das alte Harmonium mit seinen rabenschwarzen Tasten.
    Mein Großvater hatte es gut, denn er fühlte sich in der Kirche genauso wohl wie in der Wirtschaft und lobte den Herrgott vor dem Altar ebenso wie an der Theke vom Honiels und ließ von seinem französischen Lohn einen Wacholder nach dem anderen kommen, denn er hatte viel zu erzählen von der Herrlichkeit der Welt, vom Schong und vom Schack und vom Schorsch, den Franzmännern, die nun alle seine Freunde waren, Scheiß auf den Krieg.
    »Schiss is Trumpf!«, schrie mein Großvater und hob das Schnapsglas.
    »Schiss is Trumpf!«, schrien alle anderen und stießen mit ihm an.
    Denn wer die Welt gesehen hatte, der konnte was erzählen, und wer einen ausgab in der armen Zeit, der hatte sowieso recht, und so hatte mein Großvater Klemens an der Theke von Honiels ein Gefühl von Freude mit dem Segen des Herrgotts.
    Mein Großvater war aber nur so lange unbesiegbar, wie er an der Theke den Schnaps hochhielt, denn sobald er nach Hause kam, hatte wieder der Dapprechter Gustav das Regiment, und der wachte über den Sonnenaufgang und über den Sonnenuntergang und stand auf mit dem Hähnekrähen. Der Dapprechter Gustav fütterte wieder das Vieh und melkte die Kühe und machte den Stall sauber, mein Großvater aber blieb liegen und schlief seinen Rausch aus und meinte, es lohne sich nicht, aufzustehen, denn auf dem Zimmerplatz gab es zwar schon wieder zu tun, aber doch nicht so viel,

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