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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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einem großen Feuer, das vor der neuen Partei warnte, und ein Banner war hochgehalten worden: »Kirche in Not!«.
    Pfarrer Klarfeld war vor der Musikkapelle und vor der Feuerwehr gegangen, und dann hatten sie Böllerschüsse abgegeben, und Pfarrer Klarfeld hatte gesagt, die Böllerschüsse zeigten die Wut Satans, und dann hatten sie vor einem riesigen Feuer die Heiliggeistmesse gehalten, sodass alle eine Gänsehaut bekamen, und Pfarrer Klarfeld schrie und forderte auf zu immerwährendem Heldenmut der Katholiken. Hellersberg war auch Zentrum.
    Hätten sie bloß in Scholmerbach auch Sturm geläutet. Hätten sie bloß überall Sturm geläutet, in allen Dörfern, hätten nur überall und überall die Glocken gedröhnt in den Nächten, als die Leute sich zur Partei gemeldet hatten. Aber man hatte es ja nicht kommen sehen.
    In Hellersberg hatten sie es kommen sehen, und irgendwann war der Pfarrer Klarfeld ins KZ gekommen mit seinem Geläute.
    Meine Großmutter Apollonia hat sich um all das nicht weiter geschert.
    Sie trug unter dem Herzen ein Kind und hatte es in Frankreich empfangen und würde es in Scholmerbach gebären. Nun sollte das Kind bald kommen, und in dem alten Fachwerkhaus war es noch nicht so hergerichtet wie Apollonia es wollte. Müllerbachs Lene hatte schon schöne Gardinen vor den Fenstern, und Hanjokebs Martha hatte bestickte Paradekissen für ihre Betten, und ihre Schwester Hanna hatte einen Wohnzimmerschrank. Aber Apollonia hatte nur die Aussteuer, ein wenig Geschirr, einen Tisch und vier Stühle, das Bett und den Kleiderschrank und den Kohleofen und die Kammer und was sie sonst noch bekommen hatten vom Dapprechter Gustav und Kathrein. Sie hätte es sich doch ein wenig schöner gewünscht, aber Gardinen, hatte mein Großvater gesagt, seien ja bloß Fetzen vor den Fenstern, und zum Schlafen genüge die Matratze mit Haferstroh, was solle der gehäkelte Firlefanz um das Paradekissen, wenn man auf dem Paradekissen nicht schlief.
    Apollonia hatte aber in Marseille Firlefanz gesehen und für schön gefunden, und nun in Scholmerbach sollte wieder Schluss damit sein und der Dapprechter Gustav konnte sehen, dass es in seinem Haus mit den jungen Eheleuten nicht recht weiterging und Klemens nichts herbeischaffte, um den Hausstand aufzubessern. Klemens war am Morgen noch immer der Letzte, der aufstand, um auf den Zimmerplatz zu gehen und endlich die Dampfmaschine anzumachen und das große Gatter anzuschmeißen, das die Bäume zersägte.
    Apollonia wohnte im Fachwerkhaus ihres Vaters mit Klemens im Erdgeschoss, wo die Sonne durch die kleinen Fenster nicht recht hineinschien und der Wind durch die undichten Stellen blies. Die Lehmwände hielten die Winterkälte nicht fern, und gefrorene Tropfen bedeckten die Wände, und nur der Kohleofen heizte die Küche; wollte man es warm haben, so musste man in den Stall gehen. Doch in der Schwüle des Sommers stand der stickige Dunst von Kraut und Schweinefutter und Kernseife von gekochter Wäsche im Haus. Es war eng in der finsteren, kleinen Küche, wenn der Gustav und Kathrein bei ihnen saßen und früher die Schwestern bei ihnen gesessen hatten.
    Wenn die zwei Alten mit am Tisch waren, ging mein Großvater Klemens lieber in den Stall und setzte sich zum Vieh oder in den Keller zum Waschkessel und machte Feuer und probierte ein wenig, die Maische in der Milchkanne zu verdampfen und den Schlauch in der Waschbütte zu kühlen, und dazu rauchte er sich gemütlich eine Eckstein.
    Da fühlte er sich wohl und hing seinen Gedanken nach. Mein Großvater mochte nun mal das Vieh und die Waldvögelein und den Herrgott und glaubte an ihn und das »wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt«. Er glaubte beispielsweise nicht an Weiberwirtschaft und an Weiberregiment und daran, dass überhaupt irgendein Mensch ihm irgendetwas zu sagen hätte. Seine Brüder nicht, die Zimmermänner nicht, der Dapprechter Gustav nicht, kein Adolf nicht, nur der Herrgott allein. Der Herrgott hatte ihm noch nie einen Schnaps verboten, so wie die Weibsleute oder der Dapprechter Gustav es wollten. Der Herrgott ähnelte vielmehr dem Wirt von der Waldeslust.
    Die Waldeslust hatte neu aufgemacht, da waren Apollonia und Klemens in Frankreich gewesen, Kurt Siebert, das war ein doller Kerl, der machte einfach in der armen Zeit eine neue Wirtschaft auf, und was für eine, so was hatte die Welt noch nicht gesehen! Man muss auch mal was anderes machen, hatte Kurt gesagt und die Wirtschaft so

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