Apollonia
Apollonia und dachten an Schong und an Schack und an Schorsche. Und manche Leute drehten sich um und wollten einfach nach Hause gehen.
Denn sie wollten nichts hören von erstens: dem schrecklichen Siegfried und zweitens: einem, der von Kleppach kam und drittens: von einem, der evangelisch war.
Aber Heinrich und Fredo in ihrer Uniform tippten ihnen auf die Schulter und sagten: Du bleibst da. Und sie meinten, man solle ruhig den rechten Arm heben und »Heil Hitler« sagen, das sei jetzt besser für alle.
Auch wenn die alte Anna sagte: mache ich nicht und der dicke Willi sagte: fällt mir im Traum nicht ein und der Heinrich fragte: wieso nicht?, und die alte Anna sagte: weil ich nicht will! – so dämmerte es doch dem ein oder anderen, dass die neue Partei es nur gut mit ihnen meinte und einfach die deutsche Volksseele stärken wollte gegen den schändlichen Völkerbund. Gegen Heinrich und Fredo konnte man nichts einwenden, es waren gute, aufrechte Kerle. Natürlich hatten sie jetzt ein wenig Oberwasser. Aber sie hatten schließlich genau verstanden, was der Führer wollte. Man war sich nicht einig. Jedenfalls ging es erst einmal aufwärts, und da musste man froh sein.
Leider, so hat meine Großmutter Apollonia erzählt, hatte mein Großvater Klemens das Arbeiten nicht erfunden. Als es nach den schweren Jahre wieder losging auf dem Zimmerplatz und alle Brüder in die Wälder stürzten und die brave Liesel und der blinde Hans wieder Bäume herauszogen, Stamm um Stamm, und die Männer die Äste abschlugen und alles auf den mächtigen Höfen vor der Schneidmühle lagerten in hölzernen Gebirgen, da trollte sich mein Großvater frühmorgens schon in den Keller. Denn mein Großvater liebte nur die Dampfmaschine.
Er lag im Keller auf einer Bank und warf von Zeit zu Zeit Holz in die Flammen und träumte vor sich hin, und dann lüftete er die Klappen und sah das Feuer lodern. Ach, wie schnell verflackerte doch das Tannenholz und wie gemütlich und lange brannte die Buche, aber wer verbrannte schon das kostbare Buchenholz? Nein, mein Großvater verbrannte die Tannen und all ihre Rinden, er war stolz auf seine meisterliche Befeuerung und spielte virtuos mit den Klappen und tränkte den Dampfkessel mit frischem Wasser und wusste: Loderte die Flamme allzu hell auf, so war es mit seinem schönen Feuer rasch vorbei.
Mein Großvater las vor der Dampfmaschine heilige Bücher.
Vom heiligen Stephan, der im Todeskampf von Engeln in den Himmel getragen wurde. Von der heiligen Barbara, die von ihrem eigenen Vater enthauptet wurde. Vom heiligen Georg und seinem Kampf gegen den Drachen.
Dann las er noch einmal die Geschichten von Jesus, wie er den Lazarus von den Toten wiedererweckt hatte und wie er einem Mann die Dämonen ausgetrieben und sie in die Schweine hatte fahren lassen. Und als er las, wie Jesus auf der Hochzeit von Kanaan das Wasser in Wein verwandelt hatte, da erblickte er die Dampfmaschine mit seinem Dampfkessel und all seinen Atü. Und es fiel ihm ein, wie er mit einem Dampfkessel und ein wenig Korn vom Felde ganz leicht Wasser in Schnaps verwandeln konnte. Und da mein Großvater immer bemüht war, den Spuren des Herrgottes zu folgen, dachte er sich, man könne es doch einmal versuchen, sämtliche Werkzeuge schienen ihm wie ein Geschenk bereits zurechtgelegt zu sein.
Eine Kupferröhre fand sich oben in der Werkstatt, die konnte man zurechtbiegen, die Maische aus Korn konnte man in Apollonias Milchkanne brodeln lassen, die Milchkanne in einen Dampfkessel stellen, vielleicht nicht gerade in den Kessel der Dampfmaschine, eher in den Waschkessel im Keller des Lehmhauses. Ein Feuer anmachen … und warten … bis aus dem Dampf der Maische allmählich ein Tropfen durch die Kupferschlange emporkroch und endlich in der Mündung erschien unter den staunenden Augen des halben Dorfes wie eine Träne von reinem Gold und Glückseligkeit.
In jedem Haus versuchten sie, Schnaps zu brennen, aber er, Klemens, war eine wahre Erfinderseele, und wenn schon die Hundekisten kein Verkaufsschlager geworden waren und die Sägemehlseife nicht geglückt war und der Harzleim nicht in Produktion gegangen war, so konnte er immerhin versuchen, seinem Dorf mit dem besten Hochprozentigen das Leben ein wenig zu versüßen in dieser harten Zeit.
Jetzt hatten sie es mit dieser unguten Partei, die den Glauben verbieten wollte, das konnte ihm nicht gefallen, in Hellersberg hatte es schon eine Sturmnacht gegeben mit Glockenläuten und Pechfackeln und
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