Apollonia
gegangen und holte aus der dritten Schublade von unten zwei Gardinchen heraus mit Bordüre und feinster Kopenhagener Spitze.
– Guckemal, Apollonia, was ich hier hun!
– Ouh!, sagte Apollonia. So ein schön Gardin.
– Kannste gern haben!!
– Ouh danke schön!
– So en schön Frau wie dou das bist, muss es auch zu Hause ein bisjen schön habe.
– Ach, Kurt! Dou verstehs das.
Da kicherte Apollonia, und Marianne bekam ein Stückchen Schokolade.
Kurt hatte die Gardinen übrig, er hatte sie noch an die Seitenfenster anbringen wollen, aber das war zu viel des Guten. Meiner Großmutter gefielen sie ausnehmend gut, und beinahe hätte die kleine Marianne ihren Himbeersaft darübergeschüttet. Der Kurt war ein feiner Mann, ein sehr feiner Mann und wusste eine Frau wie Apollonia zu behandeln wie eine Dame, während mein Großvater Klemens schimpfte:
– Da nimmt mer dich einmal mit, un dann beschwerste dich aach noch, nie kann man dirs recht mache … und dann fängste aach noch an mit den Jude … da darf mer net von schwetze, wenn die Simpeler doo sitze … verstehst dou dann garnix, was in der Welt passiert??
Aber Malwine und Theodora und Kunigunde verstanden auch nicht, was in der Welt passierte, und im Separee amüsierten sie sich köstlich und schäkerten und lachten und verbrachten einen überaus lustigen Abend mit Mirabellenschnaps und dem ungeheuerlichen Wein vom Erbfeind aus Frankreich, und dazu rauchten sie Overstolz und Eckstein und Zigarren, und in der Waldeslust hat noch lange bis in die Nacht das Licht gebrannt, da haben sie es noch heimlich gackern und kichern und prusten hören in ganz Scholmerbach.
Ich hatte mich sehr bemüht, dass meine Oma Apollonia gut lag und das Kissen ihr angenehm im Rücken steckte und sie immer etwas zu trinken in der Tasse hatte und keine kalten Füße und frische Luft von dem geöffneten Fenster her wehte.
Da sagte mein Vater, es sei vielleicht nicht gut, dass ich dauernd an ihrem Bett sitze, das sei auch nicht ganz normal, ich solle lieber mal wieder mit meinen Freundinnen weggehen und ein wenig Spaß haben.
– Ach, sagte ich. Am Freitag wollte ich sowieso nach Wällershofen.
– Aber dou wirst dich doch wohl nicht mit den Soldaten treffen, sagte meine Mutter. Bei denen muss man aufpassen! Dey wollen immer nur »lecker lecker schmeckt gut!« und dann sind se verschwunden!!
– Ach … nee, … das war nur … nix Ernsthaftes.
– Dey haben dich ruckzuck am Schlafittchen und machen dir schöne Augen und doy seyst ein dummes Hinkel und fällst auf alles rein, und hinterher seyst dou abgelecktes Butterstück, und dann will dich keiner mi, und dir geht et wie Hennegickels Marlene!
Hennegickels Marlene war nämlich ein Flittchen geworden und musste dann in Frankfurt wohnen, wo alle Flittchen sind. Da hatte sie einen Ami nach dem anderen, und es soll nicht aufgehört haben bis auf den heutigen Tag.
Damit ich nicht alleine zu den Soldaten ging, fuhr mich mein Vater zusammen mit Bea, Stefanie und Brigitt zum Jonnies. Offenbar war es den Eltern wohler, wenn ich mit den Dorfmädchen zusammen war, und dann gab er mir noch zehn Mark.
Mir war alles egal, Hauptsache, ich sah Jim wieder, und ich war so ungeduldig und sehnsuchtsvoll, wie man mit sechzehn nur sein kann. Ich hatte mich in meine engste Jeans gequetscht und meine schönste Folklorebluse angezogen mit Schnürbändeln und Knöpfen und türkiser Stickerei überall, und meine Clogs klapperten so laut auf der Straße, dass überall die Fensterläden herunterfielen. Meine Wimpern hatte ich rabenschwarz getuscht und mit einer Zange so nach oben gebogen, dass sie über den leuchtendblauen Lidschatten ragten, und ich hatte Armreifen und an den Ohren Kreolen, die glänzten und rasselten wie bei Lydia Kosslowski. Außerdem duftete ich derart nach My Melody, dass Bea unterwegs sagte, wir müssten das Fenster aufmachen, sonst würden wir ersticken.
Doch als wir in die Kneipe kamen, war da leider nicht Jim, sondern nur seine Kumpel Rick und daneben Foreman, der mir mit Lydia geholfen hatte, Jim zu besuchen.
– Hallo!, winkte ich und machte beinahe einen Knicks. Rick und Foreman wirkten fast erschrocken, und meine außerordentlich bemalte Augenpartie schien sie womöglich zu hypnotisieren. Rick sagte was, was ich nicht verstand, und dann lachten sie.
– Are those your girlfriends?
– This is my girlfriend Bea and this is Stefanie and Brigitt!
Wir winkten hin und her, aber sie sagten mir nicht, wo mein Jimmy
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