Apollonia
den Papagei zu sehen und das Eichhörnchen. Was die Partei verzapfte, interessierte sie nicht. Kurt Siebert aber machte ein ziemliches Geschäft, und er zwirbelte seinen Bart und wusste, das reichte, um reichlich einzukaufen für die nächste Woche.
In der Waldeslust saßen aber nicht nur die Jagdgesellschaft und die Nationalsozialisten, sondern auch die Scholmerbacherinnen Malwine, Theodora und die leichtsinnige Kunigunde und ließen sich von dem Obertruppführer Vogler und Feldmeister Schröder einen ausgeben. Auch der evangelische Mörser versuchte sein Glück, und Heinrich und Fredo prahlten, dass sie ja die Dorfschönen kannten, und holten Malwine, Theodora und Kunigunde an ihren Tisch.
Die ließen sich nicht lange bitten und bald saß man im Separee.
Meine Großmutter hatte ausnahmsweise einen Wein bekommen, was ganz Besonderes, wo sie höchstens gewagt hätte, ein dunkles Bier zu bestellen. Der Wein aber war ihr zu Kopf gestiegen, und sie sah die schönen Spitzen, die der Siebert an die Regale gemacht hatte, und die bemalten Vasen und die Hirschgeweihe und die Deckchen und sagte zu meinem Großvater, so laut sie konnte:
– Und, Klemens? Sind das etwa Fetzen, die hier an der Wand hängen, oder Spitzen und Gardinen? Wieso gehst du so gerne in die Waldeslust, wenn nur Fetzen an der Wand hängen, he? Lässt hier dein Geld? Für das Geld, wo du hier lässt, könntest dou mir auch ein paar Fetzen kaufen vom Schajs Simon oder vom Joel in Wällershofen.
Da machte Klemens: Schd-tschschd!! Sei still!!
Aber Apollonia hatte den Wein in sich und sagte:
– Jaja, das willst dou nicht hören, das hast dou extra nicht verstanden, aber der Kurt, der Kurt versteht meysch ganz genau!
– Kurt!, rief sie durch die ganze Wirtschaft. Kurt! Sag mol dem Klemens, dass eysch auch so schöne Gardinen haben will und dass eysch sie mir morgen beim Schajs Simon bestellen tue!
Doch es war schon zu spät. Die Leute von der Partei sahen herüber und machten eigenartige Gesichter, und einer musste was tun, und das war Heinrich. Er erhob sich in Zeitlupe und ging zu meiner Großmutter und erklärte ihr mal die Sache mit den Juden. Wie das war mit dem Führer und wie der die Sache sah und dass es noch andere Geschäfte gab und dass die von nun an aufgesucht werden müssten, denn die Juden müssten nun bald fort von hier.
– Was dou nicht sagst, meinte Oma, aber die gehen doch wenigstens von Haus zu Haus, ich kann doch net immer nooh Wennerode laafen oder nach Wällershofe!
– Et wärd nicht mehr beim Simon gekaaft!!! Sonst wärst dou bestraft!!
Heinrich war auf Zack. Ein starker Mann, der wusste, worauf es ankam. Auf den konnte man sich blind verlassen, der parierte, der war ein glühender Anhänger, den musste man doch fördern, den musste man doch was werden lassen, der gehörte doch was aus sich gemacht!
– Heinrich, sagte der Hillemann von der SS . Willsde dann net zu uns komme?? Dann kommst dou gleich weider, mir sind die 78ste Standarte, musste nur ne Ausbildung durchlaufe in so’m Lager in Bayern, dann kriegste so’ne anner Uniform, die is schwarz, aber da gehste rein, kommst raus, bisde en Sturmmann!!
– Hab ich dann so’n Totekopp am Hals?
– Naja, des is dann die Uniform mim Todekopp am Hals, des is richtich.
Das musste Heinrich sich überlegen, das Wort Sturmmann gefiel ihm ganz außerordentlich und eine prächtige schwarze Uniform, die so einen Eindruck machte, auch. Da würden sie daheim staunen, wenn er zu seinem alten Vater in die Küche kam. Dann hatte er wirklich was zu sagen! Ein Sturmmann. Ihm gefiel ja sowieso, was der Führer sagte, dass man Danzig zurückholen musste zu Deutschland! Die Kommunisten und die Zigeuner mal Mores lehren, mal aufräumen mit dem ganzen Gesindel, da war er sehr dafür, da durfte man keine Gnade haben, im Gegenteil! Als Sturmmann wäre er womöglich Leibstandarte Hitler, das mussten besondere Burschen sein, stählern, stark und stramm. Das konnte Heinrich sich vorstellen, ein stolzer Sturmmann, das war schon was. Für die Sache musste man einiges auf sich nehmen und auch einmal den Westerwald verlassen. Da wurde man nicht gefragt. Heinrich straffte sich. Kratzte sich im Nacken. Räusperte sich und meinte:
– Dat wär schon en Sach. Wat müsste man denn da mache, muss ich da e Papier unnerschreiwe oder mich irgendwo melde?
– Ei kommst morje mal bei mir in der Stubb vorbei, dann könne mir des rechele, sagte Hillemann.
Kurt Siebert war indessen an seinen Buffetschrank
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