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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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einen Fantasten, einen Trottel und einen krummen Hund und einen Holofernes, einen Dummkopf, einen Tölpel, einen Esel, einen Blödmann und Querschädel, der nur da ist, um alle zu ärgern.
    Mein Großvater schien das alles nicht zu hören – als würde das Stoßen der Maschinen, das Dröhnen der Gatter oder das Schlagen der Hämmer seinen Kopf nicht erreichen und das Lamentieren von Apollonia ebenso wenig. Es konnte ihm nichts anhaben, als wäre sein Kopf von den Jahren auf dem Zimmerplatz ganz wie aus Holz. Ganz westerwäldisch, so unbeugsam und vom Wind umhaust, kriegte er nicht mit, was sie wollten. In ihm ging ganz etwas anderes vor, aber was, das war keinem klar, außer dem Herrgott allein oder seiner alten Mutter oder dem Kurt von der Waldeslust.
    In der Waldeslust standen Tische und Stühle aus fein gedrechseltem Teakholz, und die Separees waren ausgestattet mit grün und weiß bedruckten Tapeten und von Schnitzereien aus Palisander umrahmt. In jedem Separee konnten sechs oder sieben Leute sitzen, drei davon auf einer Bank, die war mit Samt bezogen. Über ihnen hing ein Lampenschirm, der sich nach außen wellte wie der Unterrock einer Magd, und links und rechts ragten zweiarmige Kerzenleuchter in den Raum hinein. Es war sehr heimelig in diesen Separees und man konnte, wenn man wollte, so für sich sein, dass einen im Gastraum niemand sah. Das Separee im hinteren Schankraum hatte von Anfang an etwas Verbotenes. Etwas Gefährliches und Unerhörtes. Es war unerhört und so vornehm, dass sich von den Scholmerbachern niemand hineinsetzte. Jeder sagte nur: ach und oh und wie hast du das nur fertiggebracht, Kurt? So was in Scholmerbach, das ist doch Perlen vor die Säue geschmissen!
    Das stimmt nicht, hatte der Kurt gesagt. Jeder kann sich mal am Sonntag ein wenig herrichten und ordentlich hinsetzen und sich was gönnen. Man muss ein Bier ja nicht saufen wie eine Kuh, man kann Wein trinken wie etwas Kostbares und jeden Schluck genießen, Wein ist nicht da, um möglichst schnell besoffen zu werden.
    – Ach, Wein, sagten die Leute. Der is viel zu teuer. So was hat et hier noch nie gegeben. Das sind doch Fisimatenten. Obwohl … man kann ja mal was Neues probieren.
    Apollonia war sehr dafür. Denn der Wein kam aus Frankreich, und man konnte in Scholmerbach mal etwas Feineres lernen. Mein Großvater Klemens, der so stolz war auf sein Paradiesengelchen, auf seine Marianne, sein Bobbele, seinen Sonnenschein, ließ es sich nicht nehmen, meine Großmutter Apollonia in ihrem schönen Sonntagskleid und das Kind mit einem Propeller im Haar in die Waldeslust auszuführen.
    Das war dann doch was Besonderes: An einem Sonntag nicht einfach die lahmen Knochen strecken, sondern mal was Schönes machen. Es war beinah so wie in Südfrankreich, wo man sich den Luxus gönnte, mal zur Madame Tintin ging und draußen saß und Cidre trank, und die Männer kriegten einen Cognac.
    Nun gab es also beim Kurt Siebers Wein, das war so besonders wie die ganze Wirtschaft. Klemens trank natürlich Bier, aber die kleine Marianne bekam einen »Quatsch«, das war ein Himbeersaft, aber das größte Wunder von Scholmerbach wartete im Garten: Als der Siebert die Tür aufmachte und die Sonne hereinschien, da hing draußen ein geschmiedeter Käfig, und darin saß ein bunter Papagei. Im Schuppen war hinter einem Gitter der Fuchs, und in einem anderen Käfig hatte Kurt ein Eichhörnchen. Außerdem gab es im Garten einen kleinen Teich, darin schwammen zwei Goldfische, wie sie kein Scholmerbacher je gesehen hatte. Wie hatte der Siebert das Geld zusammengekriegt, und wie war er auf die Ideen gekommen für etwas so Ungeheuerliches?
    Mal was ganz anderes!
    Schon bald hatte sich herumgesprochen, wie schön und besonders dort alles war, und so war es kein Wunder, dass sich die Waldeslust füllte, nicht nur mit schüchternen und gleichwohl aufgekratzten Scholmerbachern, die bescheiden ein Getränk bestellten. Bald fanden sich auf der einen Seite die Jagdgesellschaft ein und auf der anderen die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Sie bestellten Wildfleisch und Klöße und den Wein, den sich sonst niemand leisten konnte, und schütteten ihn herunter, dass alle nur den Kopf schüttelten. Sogar Heinrich und Fredo saßen da und der Feldmeister Schröder und der Obertruppführer Vogler, der Kreisleiter Müller aus Wällershofen, Gauleiter Mörser und Hillemann von der Kleppacher SS .
    Meine Großmutter Apollonia war mit Marianne in den Garten gegangen, um

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