Apollonia
war, und ich schielte nach Lydia Kosslowski, ob sie nicht irgendwo herumstand und was wusste.
– Ach, sagte Bea. Wir können doch erstmal tanzen.
– Nee, sagte ich. Bloß nicht verschwitzt sein, wenn Jim kam. Wir mussten noch so viel küssen heute Abend. Bestimmt wollte er auch tanzen und trinken und feiern. Ungeduldig ging ich auf Foreman zu:
– Where is Jim? Is he there?
– Oh, ick glaube, der is schon in Kucke gewesen von der Jonnies. Kannst du fragen.
– In der Kucke?
– Kucke. Kitchen.
– Ach so.
Jim war also schon frei, frei! Ich musste ihn finden, und dann würden wir einander in die Arme fallen, bestimmt hatte er die ganze Zeit auf mich gewartet, und dann kam ich erst um sieben, das war ja viel zu spät! Aber da tippte Rick mir auf die rechte Schulter und sagte:
– Girl, kännst du deine Boy sagen, der sollt mir meine fifty bucks wiedergeben.
– C’m on, sagte Foreman. It’s not her business.
– She can tell him. I’ve been waiting long time, man!
Ich verstand nur die Hälfte. Jim sollte ihm was wiedergeben? Hatte Rick ihm was geliehen? Ich dachte an die zehn Mark, konnte ich vielleicht irgendwie aushelfen? Und was war ein buck? Patronen? Moneten?
– Dass nisst so sslimm, sagte Foreman. Forget it.
– Ich glaube er hat gesagt, der Jim schuldet ihm fünfzig Dollar, sagte Stefanie.
– Oh jeh, das ist aber viel, wo isser denn?
– Der kommt gleich, der hat von der Gisela ein Spiegelei gekriegt, das isst er noch auf, sagte Lydia Kosslowski, die gerade aus der Küche kam. Wir haben dadrin Wiedersehen gefeiert. Ich hab schon einen Schwips!
Na, das fing ja gut an. Jim als Schuldenbuckel, der sich mit Lydia Kosslowski betrank, und ich konnte draußen warten, bis er fertig war.
– Ich kann ihm ja sagen, dass du da bist, sagte Lydia gönnerhaft und verschwand wieder in der Küche.
Seit wann durfte sie überhaupt in die Küche, was hatte sie da verloren? Lydia schaffte es immer, dort zu sein, wo andere nicht hinkamen. Barrieren wie Tresen, Theken, Wachzäune und Grenzpfosten schienen für sie nicht zu gelten.
– Brigitt, sagte ich, das gibt’s doch nicht, dass dey jetzt mit meinem Kerl in der Küche ist.
– Ach, lass sie. Der findet die bestimmt doof und sitzt da, weil dou noch nicht da warst.
– Ja, hoffentlich.
So saßen wir bei Cola und Schussbier an der Theke, und ich fuhr mir unentwegt durchs Haar, damit es auch locker und duftig fiel, wenn er aus Giselas Küche kam und sein schreckliches Ei endlich gegessen hatte. Wenigstens Lydia konnte schon mal kommen, die aß ja kein Ei. Aber sie kamen und kamen nicht, bis ich so eingeschnappt war, dass ich gar nicht lachen konnte, als Jim endlich aus der halboffenen bräunlichen Falttür kam und gleich hinter ihm die angetrunkene Lydia und er mit theatralisch ausgebreiteten Armen in die Kneipe torkelte:
– My Marreee! My Marreee!! My sweetheart! My baby!!
Ich genierte mich ein wenig, wie er sich auf mich stürzte, und alle sahen, wie betrunken er schon war, und zwar genauso wie Lydia Kosslowski, und je lauter er mir die Liebe schwor, umso mehr geriet ich in Verlegenheit.
– Ooookay Jim!! Ooookay!
Ich konnte von Glück sagen, dass ich aus Scholmerbach kam und Besoffene in jedem Stadium schon gesehen hatte, deshalb war ich nicht so erschrocken. Nur hatte ich mir unser Wiedersehen bedeutend romantischer vorgestellt, und dass er sich so zurichtete, das hätte wirklich nicht sein müssen. Er war ja schon erwachsen, einundzwanzig!! Ein richtiger Mann!!
Meine Mutter hatte gesagt, die Amis wollten nur ein »lecker-lecker-schmeckt-gut«, aber was meinte sie damit eigentlich?! Und dass ich ein abgelecktes Butterstück werden würde. Aber ich hörte natürlich auf nichts, was meine Mutter sagte, sondern vielmehr auf meine Freundinnen, und Stefanie meinte:
– Ach, das war jetzt mal nur der Duft der Freiheit. Wenn einer so lange eingesperrt war, kann man doch verstehen, und Lydia hat ihm ja bloß Gesellschaft geleistet, und von den fünfzig Dollar hat der bestimmt die Blumen bezahlt, für die er den Arrest bekommen hat! Du bist undankbar!!
Da hatte Stefanie aber so was von recht. Wie sollte Jim etwas zurückzahlen können, wenn er eingesperrt war? Das mussten die Jungens unter sich ausmachen. Darum sagte ich auch nichts, als Jim an der Theke noch eine Runde Asco schmiss, obwohl der ja viel teuerer war als Bier! Er hielt mich im Arm, und die Strähne fiel ihm immer wieder ins Gesicht, und er roch nach Bier und Zigaretten und sah aus wie
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