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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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nichts:
    – Wer sind denn das?
    – Na, Juden vor allem, Kommunisten, Zigeuner! – Die aus den Dörfern und aus der ganzen Gegend da! Da haben wir gute Arbeit geleistet – die tun keinem mehr was! Das Unheil ist ausgerottet.
    – Aber wie – was habt ihr denn gemacht da, mit eurer Truppe?
    Heinrich kniff ein Auge zu, grinste verschwörerisch und mimte, einen Spaten in die Hand zu nehmen. Leute ein Loch graben lassen. Leute rein in das Loch. Maschinengewehr anlegen. Pengpengpengpeng. Alle mausetot. Gut gemacht.
    Schustermichels Albert hatte es gehört und gesehen, und Julius hatte es gehört und gesehen, und Kurt wusste Bescheid. Heinrich war in dem großen Lager in Bayern befördert worden für seine Verdienste im Rahmen der Säuberungsaktionen und dann Unterscharführer geworden. Aber er hielt es für richtig, nicht allzu viel darüber zu reden in Scholmerbach, denn da waren sie nicht gescheit genug, um die wahre Größe der Angelegenheit zu verstehen. Die waren hier einfach zu beschränkt. Das kam davon, wenn man nichts gesehen hatte als höchstens mal Böllsbach oder Linnen oder Pfeifensterz.
    Mein Großvater Klemens hatte von Kurt gehört, was Heinrich erzählt hatte, und sie konnten nicht begreifen, was Heinrich für ein Mensch geworden war und was ihm in den Sinn gekommen ist. Da ging er hin und erzählte es seinem alten Vater Josef, und Josef in seinem Sessel hörte auf, Rosenkränze zu beten. Er saß am Abend immer daheim und ging nicht mehr fort, während meine Urgroßmutter Charlotte Sauerkraut stampfte und Sauerteig walkte und Geschäftsbücher vollschrieb.
    Da aber auf einmal, es war schon dunkel, verlangte Josef nach seinen genagelten Schuhen und seinem Überzieher und seinem Stock und der Laterne.
    – Es ist nicht recht, sagte er immer wieder. Es ist nicht recht.
    Dann ging er die Straße hinunter und die Leute warnten:
    – Was schaffst dou nur, hör doch off!!
    Aber Josef folgte nur seinem eigenen Kopf, obwohl er schon schwach war auf den Beinen und seine eigenen Söhne für Hitler an die Westküste zogen. Er klopfte zu später Stunde beim Heinrich und wartete, bis ihm aufgemacht wurde. Es war aber der alte Vater von Heinrich, Jakob, der in der Tür erschien, und der verwunderte sich sehr, als ausgerechnet der alte Zimmermann vor ihm stand.
    – Ei Josef, wott willst dou dann bei mir? Hasd dou dich verlaufen?
    – Nein, ich wollt emal mit deinem Heinrich schwetzen.
    Der alte Jakob konnte gar nicht ahnen, was denn der Josef von seinem Jungen wollte, er konnte es sich beim besten Willen nicht vorstellen.
    Aber da kam Heinrich schon selbst in die Tür und fragte, was er denn will, und Josef wurde das Herz schwer, denn er war selbst Vater.
    – Heinrich, sagte er. Ich han was gehört, datt lässt mer kein Ruh.
    – So? Was is das dann??
    – Dou warst in Polen, hat mer mir verzählt.
    – Jaja, sagte Heinrich misstrauisch. Und?
    – Sey mol, dou bist doch aus Scholmerbach, da weiß mer doch, wie man sich benehmen muss, den Mensche gegenüber, das weiß dou doch, oder?
    Der alte Jakob verstand nichts mehr.
    – Was will der dann?
    – Heinrich, ich kenn dich schon von klaa auf. Du hassd mer aach schon geholfe auffem Zimmerplatz. Du warst immer en ehrliche Kerl. Wenn dou jetz nausgehst in die Welt, und da kommt irgend en Drecksack, und der sacht dir, du sollst einfach so die Mensche sinnlos todschieße, dann machst du das? Heinrich, hast dou dann unsern Herrgott vergesse?
    Heinrich wurde kreidebleich.
    – Wer hat dir das gesacht? He? Wer erzählt dir dann so was? He?
    Der alte Jakob war ganz verwirrt und wusste nicht, gegen wen er zuerst schauen sollte, gegen seinen Sohn oder Josef, und Josef sagte:
    – Der Klemens hot es mir verzählt, von dem weiß ich es.
    – Der Klemens, so so, sagte Heinrich.
    – Im Krieg da zählt doch kei Menschelewe, sagte der alte Jakob. – Josef, was willst dou uns dann verzähle?
    Heinrich schob seinen Vater zur Seite.
    – Josef, ich han en hoch Meinung von dir, schon immer gehatt, deshalb sach ich jetz nix, aber watt da war in Polen, un die da umgekommen sind, dat waren Feinde, verstehste – FEINDE !!! Und mir hamse erledigt, dat war unser Pflicht un unsern Befehl, da is mer doch stolz un freut sich, wenn mer so viel wie möchlich davon erledigt hat! Wenn ich eins nicht leiden kann, is, wenn mer unserer Sach’ und unserm Führer ins Kreuz fällt!
    – Ist dir dann der Mensch nichts wert, sagte Josef, dass man ihn abschießt wie das Stück Vieh? Kennst du denn

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