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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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keinen Gott und kein Gebot mehr?
    – Josef geh haam! Ich weiß ja, dou meinst es gut, aber hier geht es um Größeres, da kann mer nicht um jeden Itzig und jeden Bolschewik heulen, der ins Gras beißt, je schneller mir das Gesocks los sind, umso besser!
    – Heinrich, sagte Jakob, man muss awer aach die Kirche im Dorf losse, wir sind schließlich …
    – Vater, davon verstehst dou naut, dat sind Volksschädlinge! Die muss man vernichten! Was schert mich da noch ein heulendes Zigeunerweib, das in die Grube fällt!!
    Da erbleichten beide, der Jakob und der Josef. So hatten sie Heinrich noch nicht gesehen, und er hatte so viel Kraft und er war einen Kopf größer als sie.
    – Wenn dou das so siehst, sagte Josef, dann will ich dich off dem Zimmerplatz nicht mehr sehn, dou kemmst mir nicht mehr in det Haus enein, so lang wie ich lebe, das ist mein letztes Wort. Aber ich werd fier deych beten an jedem Dag, den Gott werden lässt.
    Meine Mutter Marianne erzählte mir viele Jahre später, in der Waldeslust wäre es so schön gewesen, dass man sich immer nur verwundert hätte, und sie hätte den Papagei und das Eichhörnchen und die Goldfische und den Fuchs im Garten so lange bestaunt, dass sie noch tagelang davon geträumt hätte.
    Wenn ich an die Waldeslust denke, dann waren da nur vergilbte Tapeten und dicker Zigarrenrauch und Radetzkymarsch, und von einem Separee wusste kein Mensch mehr was. Auf dem Klo hingen lange Streifen von Zeitungspapier auf einen Nagel gespießt, das war das Klopapier und wir, Bea, Stefanie, Brigitt und ich, fanden das immer zum Totlachen.
    Nun war es Zeit, Jim endlich einmal diese herrliche Gastwirtschaft zu zeigen. Als wir hereinkamen, musste er als Erstes die Musikbox bedienen, so warf Jim fünf Groschen ein und es kam »Er hat ein knallrotes Gummiboot« von Wencke Myhre. Der Sumpfgraf stand an der Theke in seinem hellen Anzug und seinem gebräunten Gesicht, er verbeugte sich würdevoll, und eine Silberlocke fiel quer über seine Brille, und er fragte:
    – Darf ich darum bitten, dass man mir den jungen Mann einmal vorstellt!
    und ich sagte: Das ist Jim! James Larry David Logan!
    – Börthold Logan, sagte Jim und neigte den Kopf.
    – Sehr erfreut, sagte der Sumpfgraf. – Handelt es sich bei dem jungen Herrn um einen Amerikaner?
    In gewissen Situationen sprach der Sumpfgraf immer hochdeutsch.
    – Yes Sir!
    – Oh, sagte der Theo hinter der Theke und fing an zu singen. – Dängderängderängderäng, Bonanza!!
    Und schon bekamen wir einen Lumpenschnaps zu trinken.
    – Den hat dein Opa auch immer getrunken.
    Mein Großvater hatte den Lumpenschnaps nur in dem Maße bekommen, wie er ihn bezahlen und wie viel Deckel er beim Theo stehen lassen konnte.
    Ich brauchte meinen Schnaps so gut wie nie zu bezahlen, es gab immer einen Opa, der zahlte. Meinen Jim hieben die Lumpenschnäpse vom Theo und vom Sumpfgrafen nach drei, vier Gläschen aus den Latschen, als wäre er ein kleines Mädchen. Er stolperte herum und stieß sich die Nase am Eckregal, wo ein alter Fußballpokal stand und ein paar Wimpel hingen und wo früher mal das Radio war. Da sah ich überhaupt erst, dass Jim immer noch schmutzig war vom Schrottplatz und sein glattes Haar fettig runterhing. Angeschlagen, wie er war, sah er im Augenblick nicht gerade aus wie ein Hauptgewinn.
    – Sag mal, fiel mir auf einmal ein. – Wie war es denn jetzt genau mit der Lydia Kosslowski heute Morgen?
    – Och, lallte er. She’s okay, that girl, really.
    – Sie ist … ehrlich gesagt … nicht in ORDNUNG, … sie ist … ganz schön …
    – She’s helped me so much – such a good girl!
    – Hm.
    Da war ich beleidigt. Er musste doch erkennen, dass sie ein durchtriebenes, billiges abgelecktes Butterstück war. Aber nein, nun hielt er auch noch mordsmäßige Stücke auf sie. Ihr Plan schien aufzugehen.
    – Junger Mann!, sagte der Sumpfgraf und hieb Jim auf die Schulter. – Darf ich mal bitte eines sagen?! – Darf ich mal eines sagen?
    – Okay, lallte Jim.
    – Ich war ja auch hier beim Bund … langjährig … wir hier … und die Amerikaner … da oben. Immer – bestens!! Very good!! Very good!! Offizier …. Äppeljack … und ich … friends. Gud friends … immer … friedlich … hier. Okay!! Prost!!
    Jim prostete ihm zu und machte einen lustigen militärischen Salut. Da kam Müllersch Schorsch und meinte, hey, der, wie heißt der, Schim, der kann auch mal mit auf den Fußballplatz und da mitspielen, vielleicht spielt

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