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Apple - Die Geburt eines Kults

Apple - Die Geburt eines Kults

Titel: Apple - Die Geburt eines Kults Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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Gesichtsausdruck ihres potenziellen Kunden. Wenn sie mit irritierten, scheuen Blicken begrüßt wurden, entschuldigten sie sich dafür, dass sie an die falsche Tür geklopft hatten, und schlurften über den Gang davon. Wenn ihre List eine neugierige Reaktion hervorrief, wurde der potenzielle Kunde zu einer Blue-Box-Vorführung eingeladen.
    Nach ein paar Wochen liefen die Verkaufsgespräche im Wohnheim nach einem festen Muster ab. Wozniak schloss einen Kassettenrekorder mit Alligatorklemmen an das Telefon an und er und Jobs erklärten das Grundprinzip der Blue Box. Dann führten sie vor, was sie konnte. Wozniak genoss es ganz besonders, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. „Das war eine richtig große Show.“ Sie riefen die Heimatnummern von Freunden und Verwandten einiger ihrer Zuhörer in den Vereinigten Staaten an. Dann begannen sie, ins Ausland zu telefonieren, und schließlich versuchten sie, eine weltweite Verbindungskette aufzubauen – sie fingen in Berkeley an und sprangen über Vermittlungen in mehreren Ländern –, um schließlich bei einem anderen Telefon in Berkeley in der Nähe zu landen. In einem Fall benutzte Jobs die Box, um Zimmer für eine große Party im Ritz Hotel in London zu buchen, und da er sein Kichern nicht unterdrücken konnte, übergab er den Hörer an Wozniak. Dieser erzählt, ein andermal habe er sich als Außenminister Henry Kissinger ausgegeben, den Vatikan angerufen und eine Verbindung mit dem Pontifex verlangt. Ein Vatikanbeamter erklärte, der Papst schlafe noch, aber er würde jemanden schicken, um ihn zu wecken. Ein weiterer Mitarbeiter kam ans Telefon und fiel auf den Trick herein.
    Diese Vorführungen weckten die Neugier, und Jobs und Wozniak nahmen Kassetten mit Tönen auf, die ihre Freunde brauchen würden, um ihre Lieblings-Ferngesprächnummern anzurufen. Außerdem brachten die abendlichen Shows Aufträge. Das Duo traf eine lockere Vereinbarung über die Herstellung der Blue Boxes. Jobs organisierte die Beschaffung von Teilen im Wert von rund 40 Dollar und Wozniak brauchte etwa vier Stunden, um eine Box zu bauen, die dann für etwa 150 Dollar verkauft wurde. Um die Zeit für den Bau der Boxen zu verkürzen, beschlossen die beiden, die Boxen nicht mehr von Hand zu verdrahten, sondern eine gedruckte Platine anfertigen zu lassen. Anstatt mit der Verkabelung einer Box vier Stunden zu verbringen, konnte Wozniak jetzt eine Box innerhalb einer Stunde bauen. Außerdem fügte er eine weitere Funktion hinzu, die einen Knopf in eine automatische Wählvorrichtung verwandelte. Ein kleiner Lautsprecher und eine Batterie wurden an die Platine angeschlossen, ein Tastenfeld auf den Deckel geklebt, und wenn alles fertig war, wurde eine Karte mit einer Nachricht auf den Boden geklebt, die mit lila Filzstift geschrieben war. Sie lautete: „He’s got the whole world in his hand“ und war mit einer informellen Garantie verbunden: Wozniak versprach, fehlerhafte Boxen kostenlos zu reparieren, wenn sie zurückgegeben wurden und diese Karte immer noch enthielten.

    Nach etwa einem Jahr zog sich Jobs aufgrund einer Kombination aus Langeweile und Angst vor den möglichen Konsequenzen aus dem Geschäft zurück. Schließlich gab es ja nur eine begrenzte Anzahl von Verwandten, Bekannten, Wetterberichten, Zeitansagen und Witze-Hotlines, die man anrufen konnte. Außerdem gab es gute Gründe, sich zu fürchten: Die Telefongesellschaften griffen hart gegen Phreaks durch und setzten Sicherheitsmitarbeiter ein, die auf Phone-Phreak-Zusammenkünften fotografierten, Häuser beobachteten, in Telefonvermittlungen Fangschaltungen installierten, Informanten belohnten, Doppelagenten bezahlten und gelegentlich Razzien durchführten. Dieser Zeitvertreib war also mit drohenden Gefahren und beunruhigenden Gerüchten verbunden. Manche Phone-Phreaks setzten sogar Taranteln in die Briefkästen von Sicherheitsbeamten und Gerüchten zufolge interessierte sich das organisierte Verbrechen in verstärktem Maße für dieses lukrative Geschäft.
    Außerdem war Jobs misstrauisch gegen Captain Crunch. Drapers schriller Tonfall, seine Angewohnheit, Telefongespräche mit Notrufen zu unterbrechen, seine Hysterie, wenn Zigaretten angezündet wurden, und seine Einladungen zu sportlichem Training machten Jobs wachsam: „Er war abgedreht und sonderbar.“ Jobs schien die in dem Esquire -Artikel dargestellte Legende über die Fakten hinauszugehen. Nicht einmal der 65 Watt starke UKW-Piratensender San Jose Free Radio, den Draper an

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