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Applebys Arche

Applebys Arche

Titel: Applebys Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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hat.« Sie tastete nach einer Stelle, an der sie auf dem
Felsen stehen konnte.
    Für Appleby war ein toter Mann keine Sensation, und noch immer galt
seine Aufmerksamkeit in erster Linie dem Mädchen. Das war also das Lied, das
die Sirenen sangen? Und Leichen mit ordentlich Gas im Bauch gehörten ganz
selbstverständlich dazu. »Das kriegen wir schon hin«, sagte er und wollte die
eigenen Gedanken damit vertreiben. »Wenn jeder von uns auf einer Seite anfaßt …«
    »So geht das nicht.« So erschrocken sie auch sein mochte, übernahm
Diana plötzlich das Kommando. Und ihre Anweisungen waren ausgesprochen tüchtig;
im Nu hatten sie den Toten im Wasser und schleppten ihn an den Strand.
    Eine Strömung packte sie, und Appleby sah zum erstenmal Unumunus
Gesicht. Der Anblick ließ ihn hastig weitersprechen. »Du weißt ja anscheinend
Bescheid«, sagte er.
    »John!« rief sie verblüfft und sah ihn an.
    »Wie man eine Leiche aus dem Wasser birgt.«
    »Ach so. Ja, das schon. Das kommt bei uns am Strand öfter vor. Ich
bin nämlich schon seit Jahren bei den Rettungsschwimmern. Das ist ein
Riesenspaß.« Sie verstummte. Vielleicht ging ihr durch den Kopf, daß das nicht
gerade der passende Tonfall war; vielleicht brauchte sie auch nur ihre Puste,
um gegen die Strömung anzukommen. »Aber ich hätte nie gedacht, daß ich noch
einmal den armen alten Ponto herausholen muß.« Sie wandte sich um und blickte
dem Toten mit der unschuldigen Aufmerksamkeit ins Gesicht, mit der ein Kind
einen toten Kanarienvogel untersucht.
    »John!«
    »Tja.«
    Sie zerrten den Leichnam an den Strand und legten ihn auf den
Rücken; dann sanken sie erschöpft neben ihm nieder. Und Appleby sah noch einmal
hin. Unumunus Gesicht würde schon bald Asche sein. Doch nun kam es ihm vor wie
etwas, das ewig bestehen konnte, wie eine wertvolle Skulptur in einem Museum,
das Bild eines göttlichen Wesens, das aus den tiefsten Tiefen im Gedächtnis der
Menschheit erscheint. Solche Bilder brachte man von der Goldküste, aus dem
Kongo mit, und sie waren finsterer als jede Hoffnung, sie löschten jede
Kategorie aus, mit der ein westlicher Verstand sie fassen wollte. Und das war
der Ausdruck auf dem Gesicht des toten Sir Ponto, aus dessen irdischem Leib
Eton und Anthropologie gewichen waren und dessen Augen nun ohne jede Erwartung
hinauf zum Himmel blickten. Die Vorstellung, daß es das Bruchstück einer
Skulptur sei, wurde noch dadurch verstärkt, daß ihm der Hinterkopf fehlte. Die
Rückseite seines Schädels war eingeschlagen.
    »Ist er schon lange tot? Ich hatte ja das Gefühl, ich hätte ihn eben
noch gesehen, auf der anderen Seite der Lagune.« Diana studierte mit staunenden
Augen den ebenholzschwarzen Leib. »Die Fische haben schon an seinen Zehen
geknabbert.« Sie überlegte, und ihre Augen wurden noch größer. »Und wenn er an mir geknabbert hätte …« Mit
einem Ruck setzte sie sich auf und begann zu weinen. Sie weinte lange Zeit, und
Appleby starrte hinaus aufs Meer. »Ich finde«, sagte sie schließlich, »er war
ein anständiger Kerl. Gerade für einen Schwarzen.« Die Idylle war vorüber, der
Traum – in dem sie einen Schwarzen heiraten würde, und er bekäme die Curricle – zerplatzt; die Geschichte hatte ihre überraschende Wendung genommen, die Tonart
war nach Moll transponiert. Er erhob sich. »Wir müssen die anderen suchen.«
    Sie nickte. Und dann legte sie die Stirn in Falten, als versuche sie
sich an einer kleinen Rechenaufgabe. »Das heißt, es war …« Sie überlege es sich
anders. »Wäre es denkbar, daß er gestürzt ist?« flüsterte sie beinahe.
    »Aus großer Höhe schon. Aber es gibt keine Höhe, von der jemand in
diese Lagune stürzen könnte.«
    »Dann …«
    »Ja. Komm jetzt.«

Kapitel 6
    Sie verließen den Strand und tauchten in ihren inzwischen
vertrauten Miniaturdschungel ein – in eine andere Welt, in der ihnen alles, was
sie gerade erlebt hatten, ganz und gar unwirklich vorkam. Eine lauschige Laube,
einsam wie der Garten Eden, dachte Appleby – und wie das zweite Eden unserer
Kindheit ging die überzeugte Unschuld ihm zur Seite. Oder war bis vor kurzem
gegangen, denn nun war Diana plötzlich ins Unterholz getaucht und war
verschwunden. Er überlegte, ob er sie und die anderen verhaften sollte; er
überlegte auch, ob es besser gewesen wäre so zu tun, als könne Unumunu auch
durch einen Unfall umgekommen sein, und abzuwarten, was weiter geschah …
    Da war sie wieder, Tränen und Triumph auf ihrem Gesicht und in

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