Applebys Arche
blickte ängstlich drein. Glover
verharrte reglos, wie ein Wesen, dessen Verhaltensrepertoire gegenüber dem
Unbekannten begrenzt ist. Und Diana Kittery spielte mit einer Eidechse wie ein
Schulkind, das den Stoff der Stunde schon kennt und keinen Grund hat, ein
zweites Mal zuzuhören.
»Und deshalb sage ich noch einmal«, schloß Appleby, »daß wir im
Umgang miteinander vorsichtig sein müssen. Wenn sich herausstellt, daß einer
aus unserer kleinen Gesellschaft Unumunu umgebracht hat, was sollen wir dann
tun? Was können wir tun? Was wäre überhaupt die unter
diesen Umständen angemessene Einstellung? Für mich steht fest, daß dieser Mord
aufgeklärt werden muß. Aber vielleicht ist das nur die jahrelange Gewohnheit?«
»Die Wahrheit muß ans Licht, um jeden Preis.« Glover stieß es
grimmig zwischen den Zähnen hervor. »Sonst wird unsere Lage unerträglich. Und
dann müssen wir entscheiden.«
»Ganz meine Meinung.« Hoppo hatte sich gefangen und sprach mit
unerwartet fester Stimme. »Denn wer weiß, ob der Täter nicht zur Tat
herausgefordert wurde – ob er sich nicht sogar rechtfertigen kann. Wir wissen
kaum etwas über diesen seltsam westlichen Neger, den der Zufall zu unserem
Gefährten gemacht hat. Und ebensowenig wissen wir darüber, welche Beziehungen
sich womöglich … es gibt Gefahren, die sind so …« In seiner Verlegenheit faßte
er nach einer weit offenstehenden Auster und versuchte sie zuzudrücken,
offenbar ein Ausdruck dessen, was in seinen Gedanken vorging. »Man weiß
wirklich nicht«, sagte er dann, »was man dazu sagen soll.«
»Wo«, fragte Diana, »ist Miss Curricle?«
Kapitel 7
Gegen alle praktischen und spirituellen Anfechtungen bereiteten
sie dem Schwarzen ein Begräbnis. Selbst in Sand war es nicht leicht, ein großes
Loch ohne Werkzeug zu graben, und da sie an Indizien nichts außer der
äthiopischen Hautfarbe, dem Eton-Akzent und dem oft bekundeten Interesse an der
Anthropologie hatten, war es nicht minder schwierig, den rechten Ton für die
Zeremonie zu finden. Am Ende hatte Appleby aber doch ein Grab für Unumunu
ausgehoben, und Hoppo überwand alle theologischen Bedenken. Als es getan war,
standen sie ratlos um den großen Sandhügel versammelt, und für einen Augenblick
war allen bewußt, daß dieses Ende im Grunde kein größeres Geheimnis barg als
der Tod der kleinsten Eintagsfliege, deren Stunden vorüber sind. Und auf der
Suche nach Themen, die der Verstand besser bewältigen konnte, fragten sie sich
von neuem, was wohl aus Miss Curricle geworden war.
Noch war es nicht ungewöhnlich, kein hinreichender Grund, offen
einen Verdacht zu äußern. Sorge war jedoch angemessen, und Glover sprach schon
von einer Suchexpedition. Aber selbst das war im Grunde voreilig, denn Miss
Curricle hatte sich in letzter Zeit immer mehr von den anderen abgesondert. Sie
hatte sogar laut verkündet, unter den gegebenen Umständen schienen ihr
persönliche Kontakte unangebracht. Es würde – wenn der Bewußtseinsstand ihrer
Gefährten zu dem ihren aufgeschlossen hatte – eine stille, freudlose
Vereinigung stattfinden müssen, aus der ein starkes, urtümliches neues Leben
erwachsen würde. Stille Besinnung konnte nur helfen, das erforderliche
Bewußtsein zu formen, und so zog sich Miss Curricle nun zwischen – manchmal
sogar bei – den Mahlzeiten von der Gesellschaft zurück. Literarischen
Ursprungs, hatte Appleby überlegt, waren diese Ideen wohl nicht – von den
Spekulationen unseres guten Lord Tennyson konnten sie jedenfalls kaum stammen –, und er vermutete, daß die Inkubation recht schmerzlich war. Deshalb rechnete
er halb damit, daß Miss Curricle, so wie sie über die Insel streifte und sich
als Philosophin und als Urquell einer neuen Menschheit entdeckte, am Ende den
Verstand verlieren würde. Vielleicht war es bereits geschehen, und Unumunus Tod
war die Folge davon.
Sie tranken eine Limonade, die Diana für sie bereitet hatte, und dann
kam eine beklommene Pause, die nur das Verlesen eines Testaments wirklich hätte
füllen können. »Ich denke«, sagte Appleby, »wir sollten uns auf der Insel umsehen.
Wir müssen uns an die Hoffnung halten – so unwahrscheinlich sie auch ist –, daß
Unumunus Tod Anzeichen einer Bedrohung von draußen ist. Da sollten wir zusammenbleiben
und nach Miss Curricle suchen. Und wenn die Gefahr doch aus unserer Mitte kommt – nun, dann gilt das gleiche. Groß sind die Chancen, daß ein Suchtrupp sie findet,
allerdings nicht, und deshalb werde ich
Weitere Kostenlose Bücher