Applebys Arche
Verhalten um. Die Stöcke schwammen hinaus aufs Meer und
verschwanden in der Ferne.
Von einer inneren Erregung getrieben, lief er wieder den Strand
hinauf; er fand einen hohlen Baumstamm und rammte in jedes Ende einen Stein; er
sammelte weitere Stöcke. Dann kehrte er ans Wasser zurück und warf den Baumstamm
hinein. Der Stamm tauchte fast ganz unter und schwamm davon. Wieder sprintete
Appleby, diesmal zu einer höhergelegenen Stelle, von wo er den Weg des Stammes
verfolgen konnte. Das innere Riff, das gerade noch aus dem Wasser ragte, schloß
allem Anschein nach die Lagune vollständig ab. Doch als der Stamm diese
Barriere erreicht hatte, tauchte er einen Moment lang unter und erschien erst
wieder, als er draußen, jenseits des Riffs schwamm. Irgendwo gab es eine
Strömung, die selbst bei Flut hinaus aufs offene Meer floß.
Von dem Punkt, an dem er den Stamm auf die Reise geschickt hatte,
warf Appleby seine Hölzer ins Meer, eines nach dem anderen, und eins nach dem anderen
verschwand. Die Strömung war stark und gleichmäßig, stärker als die, gegen die
Diana und er am Morgen angeschwommen waren … Weiter warf er seine Stöcke. Und
der vierzigste folgte nicht dem vorgegebenen Muster, er kam vom Kurs ab, drehte
und drehte sich an dem nun ganz untergetauchten Felsen, an dem sie Unumunus
Leichnam gefunden hatten.
Appleby warf den Rest seiner Hölzer fort und machte sich mit ernster
Miene auf das, was man wohl den Nachhauseweg nennen konnte. Die kurze
Abenddämmerung der Insel begann.
Kapitel 8
Vorsichtig näherte er sich der Lichtung, doch es war niemand da;
die Suchmannschaft war noch nicht zurück. Appleby kamen erste Zweifel, ob sie
je zurückkehren würde, und er bedauerte allmählich, daß er sie ausgeschickt
hatte. Andererseits war es vermutlich am einen Ende der Insel nicht
gefährlicher als am anderen – vielleicht waren die, die in Bewegung blieben,
sogar besser geschützt als derjenige, der in zunehmender Dunkelheit am Lager
wartete.
Die Grillen waren verstummt. Vom Riff her kündeten die Wellen von
Einsamkeit, von der weiten Welt, die sie vergessen hatte; im Inneren der Insel
schrie ein unbekanntes Tier, ein kurzer, endgültiger Schmerzensschrei. Ein
Stern tauchte am zackigen Flecken des zusehends schwärzer werdenden Himmels
auf, entsetzlich fern; zu seinen Füßen glomm der Jakarandateppich noch einmal
purpurn auf, bevor die Nacht ihn verschlang … Appleby blieb am Rande der
Lichtung stehen und faßte die Lage zusammen, so gut es ging.
Er befand sich auf einer Insel. Davon hatte er sich am Vortag mit
eigenen Augen überzeugt, als er unter großen Mühen einen hinreichend hohen und
zentralen Gipfel erklommen hatte. Von dieser Bergspitze, vielleicht
siebenhundert Meter hoch und – wie hätte es anders sein können – auf den Namen
Ararat getauft, war der Meeressaum in allen Richtungen zu sehen. Es waren
keine Nachbarinseln auszumachen, und er fand auch keinerlei Bestätigung für das
Trugbild, das sich bisweilen bei Sonnenuntergang am Horizont zeigte. Die Insel
stand mutterseelenallein, und ebenso allein waren sie nach allem, was ihre
Forschungen bisher ergeben hatten, auf ihr. Sie war nicht groß, und nur ein
kleiner Teil blieb noch unerforscht – ein Kamm, der sich vom Berge Ararat
ostwärts erstreckte, versperrte nicht nur die Sicht, sondern auch den Zugang;
aber Appleby konnte sich nicht vorstellen, daß dort mehr sein sollte als ein
schmaler Küstenstreifen.
Er fröstelte – nicht der finsteren Gedanken wegen, die sich immer
hartnäckiger in sein Hirn drängten, sondern einfach weil es bei Sonnenuntergang
mit einem Schlage kalt wurde. Sonst hatten sie immer ein großes Feuer
entzündet. Er trat auf die Lichtung, wollte sich weismachen, er sei ganz
mit der Frage beschäftigt, ob auch heute ein Feuer brennen solle oder nicht. Er
kam sich vor, als steige er in einen flachen Brunnen, erfüllt mit dem
letzten schwindenden Licht, umfaßt von der schwarzen Wand des Dschungels. Er
passierte den kleinen Schirm aus Ästen und Palmblättern, mit dem Diana ihr
Nachtquartier abgetrennt hatte, dann ein ähnliches Lager für Miss Curricle – und dann blieb er stehen. Vor sich hatte er das neueste Bauprojekt Glovers,
eine Art Waschtrog aus Steinen und Lehm. Das Werk war nicht ganz gelungen, an
manchen Stellen wollte der Lehm einfach nicht trocknen. Und an einer dieser
Stellen fiel ihm etwas auf, gerade noch sichtbar im Halbdunkel, das ihn
innehalten ließ. Was er sah, war ein einzelner Fußabdruck
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