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Applebys Arche

Applebys Arche

Titel: Applebys Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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aufmerksam. »Mr.   Appleby, ich denke, es wird zum Guten sein. Fragen Sie, was Sie wollen.«
    »Dann wüßte ich gern als erstes, wie Sie an Ihre hiesige Anstellung
gekommen sind.«
    »Das war in Pago-Pago – und es lag daran, daß der Erste Offizier des
Tankers, auf dem ich angeheuert hatte, ein philosophischer Mann war.«
    »Tatsächlich?«
    »Jawohl, Mr.   Appleby. Ein Mann mit philosophischem Sinn. Von Zeit zu
Zeit diskutierten wir metaphysische Fragen miteinander. Aber seine Ansichten,
das muß ich leider sagen, waren unhaltbar – vollkommen unhaltbar, Mr.   Appleby.
Ein Solipsist reinsten Wassers. Glauben Sie mir, es gab nichts, was diesen Mann
überzeugen konnte, daß es eine Existenz außerhalb seines eigenen Kopfes gab. Es
gab Zeiten, da trieb es mich zur Verzweiflung. Und eines Tages, Sir – in der
Hitze der Diskussion, wohlgemerkt –, kam ich darauf, daß es kein besseres
Mittel gab, ihn zu überzeugen, als einen unvermuteten physischen Stimulus von
außen.«
    »Verstehe.«
    »Er nahm es nicht gut auf, muß ich leider sagen; nie zuvor habe ein
Quartiermeister ihm einen Tritt versetzt, erklärte er. Und so verließ ich in
Pago-Pago unter ein wenig unregelmäßigen Umständen das Schiff. Unter
stürmischen Umständen, wäre wohl nicht zu drastisch ausgedrückt. Und dort
begegnete ich Mr.   Heaven. Das Hotel war zu jenem Zeitpunkt vollendet und er
holte seine Gäste ab.«
    »Woher kamen sie – und weswegen kamen sie in das Hotel? Wissen Sie
darüber etwas?«
    Aber für einen intelligenten Mann wußte Mudge erstaunlich wenig.
Offenbar war ihm just zu jenem Zeitpunkt ein Exemplar von Dr.   Armstrongs
berühmter Dichtung Die Kunst, die Gesundheit zu erhalten in die Hände gekommen, und er war ganz mit diesem Meisterwerk beschäftigt
gewesen, als er die Stelle bei Heaven annahm und mit ihm zur Insel fuhr. Und
wie so oft bei Menschen von poetischer oder philosophischer Wesensart, hatte
auch er keinen rechten Sinn für Geld; von den finanziellen Verhältnissen des
Hotels Eremitage und seiner Gäste hatte er nur die vagesten Vorstellungen. Aber
das Privileg, dort zu wohnen, konnte nicht billig sein; das Haus war von
Arbeitern und mit Materialien erbaut worden, die von weither kamen; irgendwo
unterhielt Heaven eine Jacht; die ursprünglich vorgesehene Zahl von Gästen sei
sehr klein gewesen.
    Bei diesem letzteren Punkt setzte Appleby an. »Weniger als jetzt
hier sind? Ohne Colonel Glover und den Rest von uns, meine ich. Es kam noch
eine zweite Gruppe von Gästen – meinen Sie, das war ursprünglich nicht so
gedacht?«
    »Überraschend kamen sie, glaube ich, nicht, Mr.   Appleby. Ich hatte
nur den Eindruck, daß es mehr waren, als die Heavens erwartet hatten.«
    »Ah ja. Und einer davon war Jenner, der George tritt und nicht nach
einem Lotosesser aussieht. Jetzt noch eine Frage, Mr.   Mudge. Und zwar betrifft
sie Sir Mervyn Poulish. Einmal, als die Jacht hier vor Anker lag, war Sir
Mervyn zufällig an Bord, als ein Radioprogramm aus Kapstadt lief; es fielen die
Namen Sir Ponto Unumunu und Kimberley. Er war beunruhigt. Haben Sie eine Ahnung,
was das bedeuten könnte?«
    »Nicht die geringste, Mr.   Appleby.«
    »Ganz wie ich vermutet hatte.« Appleby ging ans Fenster und blickte hinaus
in die kurze tropische Abenddämmerung. »Es kann einem angst machen, wie
ungeschützt dieses Hotel ist.«
    In einer Reihe von Fenstern vor ihnen flammten hinter Fliegendraht
und Glas die Lichter auf; im äußersten war eine fette Frau zu erkennen, die,
halb angezogen, ihr Dekolleté puderte; ließ man das Auge auch nur ein klein
wenig von diesem bedrükkenden Schauspiel weiterwandern, kam das unmerklich
näherwuchernde Gewirr aus Schlingpflanzen und Farnkraut in den Blick, eine
Mischung aus dunklem und hellerem Grün, die nun zu einem gleichmäßigen
schwarzen Hintergrund für die scharlachroten Blüten verschmolz, die im letzten Licht
zusehends kräftiger glommen, wie sich öffnende Wunden. Oberhalb hatten die
Palmen ihre Konturen schon verloren, standen wie flach an den Himmel gedrückt,
feine Scherenschnitte einer Dame aus klassischer Zeit, die das Schicksal in
eine Gesellschaft aus dumpf glänzendem Chromstahl verschlagen hatte. Zwei
Sterne kamen hervor. Der Verstand, der unablässig seine Phantasien sponn, faßte
sie als zwei Punkte auf, die eine gerade Linie bestimmten – aber in
Wirklichkeit hatten sie nichts zu bedeuten, hatten keine Beziehung zueinander,
sondern nur zu einem Dritten und nur zu diesem

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