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Applebys Arche

Applebys Arche

Titel: Applebys Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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großer
Bedeutung ist es ohnehin nicht mehr. Wir zwei werden jetzt bei ihm
hineinmarschieren und ihm sagen, daß wir Bescheid wissen – und zwar nur du und ich.«
    Diana starrte ihn an. »Da hattest du wohl recht, daß es nicht ganz
ungefährlich wird. Nicht daß ich kneifen will. Ich finde es nur etwas unfair,
daß ich nicht weiß, was gespielt wird.«
    »Das wirklich Unfaire daran, meine Liebe, ist etwas ganz anderes.
Unfair ist das, was ich gleich über dich sagen werde.«
    »Und was wird das sein?«
    »Teils Lügen, teils Wahrheit, aber unfair sind sie beide. Du wirst
schockiert und wütend sein.« Appleby sagte es sehr nüchtern. »Aber vergiß
nicht: Du mußt zu mir stehen.«
    »Ich stehe zu dir.«
    Er blickte sie aufmerksam an. Sie sah verwirrt aus und noch ein
wenig gekränkt. Die Augen leuchteten. Vielleicht atmete sie um eine Kleinigkeit
schneller. »Alles in Ordnung mit dir?« fragte er sanft.
    »Mir geht’s prima«, antwortete sie.
    Der Dschungel war mucksmäuschenstill. Nicht einmal eine träge Echse
hörte man noch rascheln, und sie schritten auf dem verschlungenen Pfad zum
Bungalow so lautlos, als gingen sie auf dem Grund des Ozeans und das Laubdach
über ihnen seien gigantische Algen. Es war, als bewegten sie sich in Trance, in
einem Traum, auf einer verzauberten Insel. Appleby streckte im Gehen die Hand
aus und streifte über ein Grasbüschel; das Rascheln war laut und bedrohlich,
wie Regentropfen auf einem Blechdach. »Als wäre die ganze Insel mit den Heavens
gestorben«, sagte er.
    »John, dieser Fremde, der Tote – wer war er?«
    Er lachte leise. »Diana, du hast doch Mrs.   Heaven nicht wirklich für
eine Frau gehalten, oder? Mit der Stimme, dem Bart, der Art zu gehen? Er war
Heavens Partner in diesem Geschäft, und für das Hotel machte es sich gut, wenn
sie als Ehepaar auftraten. Vielleicht war er auch einer der seltsamen Männer,
die gern in Frauenkleidern umherlaufen – das weiß ich nicht. Aber Dunchue hat
es geschickt genutzt, um die Vorstellung vom Eingeborenenüberfall noch
glaubwürdiger zu machen. Sie haben den armen Burschen ausgezogen, rasiert, ihm
die Schnitte im Gesicht beigebracht, und mehr brauchten sie nicht. Mrs.   Heaven
haben die Wilden mitgenommen, dafür taucht der Leichnam eines Fremden auf.
Speziell für Jenner habe ich die Erklärung geliefert, die er vermutlich selbst auf
Lager hatte: Die Kannibalen hatten einen armen Gefangenen mit auf die Insel
gebracht … Aber was wirklich mit Mrs.   Heaven geschah, gehört zu den
Dingen, die wir gleich nicht mehr wissen.«
    »Verstehe. Wir stellen uns dumm.«
    »Genau das.«
    Sie näherten sich dem Bungalow. »Ich hätte ja gedacht, daß George
uns begrüßt«, sagte Diana. Aber George war nirgends zu sehen – und ihnen ging
auf, daß sein Erscheinen etwas Freundliches, Lebendiges in einer Szene gewesen
wäre, aus der jedes Leben verschwunden war. Die Baumfarne umgaben sie wie
erstarrte kopfstehende Kaskaden. Links kam einen Moment lang der Strand in
Sicht – der Sand ganz unter Myriaden jener seltsamen Seeäpfel verschwunden, die
nun wieder reglos und tot schienen. Strahlend weiß vor dem immer schwärzer
werdenden Himmel zog eine einsame Möwe ihre Kreise, verblüffend beweglich,
stürzte sich in die Tiefe und schwang sich wieder empor. Doch schon im nächsten
Augenblick waren sie wieder vom Dschungel umgeben. »Es kommt einem weiter vor
als sonst«, sagte Diana.
    »Wir sind fast da.« Er legte den Arm um ihre Taille und drückte sie
noch fester an sich, als sie ihn überrascht ansah. »So kommen wir dort an.
Und wir müssen uns auch so fühlen.«
    Sie blieb stehen. »John, was soll das heißen? Wie fühlen?«
    Er sah sie eindringlich an. »Nicht wie uns in Wirklichkeit zumute
ist. Nicht zufrieden miteinander und trotzdem unabhängig. Eher wie Leute, die
sich aufeinander eingelassen haben und sich dabei selbst nicht ganz trauen. Wie
zwei verliebte Kraken. So mußt du es dir vorstellen.«
    Sie schauderte. »Du hast schon eine Art, Sachen zu sagen. Also los.«
    »Also los!«
    Sie lachten leise miteinander und traten hinaus auf die Lichtung.
    Das kleine Blumenbeet wie vor einem englischen Cottage. Die
heiteren, makellosen Läden der Veranda. Und auf der Veranda Jenner. Er starrte
sie an und rief ohne den Kopf zu bewegen etwas ins Dunkel hinter sich. Appleby
ließ, nicht ohne Bedauern, Diana los. »Einen schönen Nachmittag!« rief er, ein
wenig herausfordernd.
    Jenner antwortete nicht. Sie stiegen die Treppe zur Veranda

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