Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
Vom Netzwerk:
nicht. Für Hausmannskost reiche es, sagt sie. Doch wenn wir einmal Gäste empfangen wollten, müsste schon eine richtige Köchin her.« Lore blickte gedankenverloren zu der Tür, durch die ihr Dienstmädchen eben den Raum verlassen hatte. Juttas Essen konnte man jedem Gast mit gutem Gewissen vorsetzen. Aber da diese nicht kochen wollte, wenn mehr Gäste kamen, würde sie wohl oder übel eine erfahrene Herrschaftsköchin suchen müssen.
    »Hoffentlich schmeckt es dann immer noch so gut«, murmelte sie.
    »Was haben Sie gesagt, liebe Lore?«
    »Ach, nichts! Ich habe wieder einmal eine dieser Grillen im Kopf, die immer dann surrt, wenn man es am wenigsten braucht. Doch nun kommen Sie. Wir wollen schauen, mit welchen Gaumengenüssen Jutta uns heute verwöhnt.«
    Carolines Hunger war so groß, dass ihr beim letzten Stich die Hände zitterten. Rasch legte sie das Kleid weg und folgte Lore in das Speisezimmer. Eigentlich wäre es Jeans Aufgabe gewesen, ihnen vorzulegen, doch dieser hatte sich unter dem Vorwand, etwas für Fridolin besorgen zu müssen, aus dem Staub gemacht und die Arbeit den beiden Hausperlen überlassen. Da Jutta Nele zutraute, Soße auf die Kleider der beiden Damen zu schütten, übernahm sie selbst diese Aufgabe und beobachtete zufrieden, wie diese es sich schmecken ließen.
    Caroline musste sich zwingen, nicht wie ein Wolf über das Essen herzufallen. Obwohl sie sich fest vorgenommen hatte, sich nichts nachreichen zu lassen, sah sie, als ihr Teller leer war, mit einem bittenden Blick zu Jutta auf. »Kann ich vielleicht noch ein Klößchen und etwas Soße haben?«
    »Und ein Stück Fleisch und einen Schlag Kohl dazu!« Jutta hatte schon öfter Frauen gesehen, die zu arm waren, um sich satt zu essen, und konnte sich einen Reim auf Carolines Verhalten machen. Um ihr zu helfen, überschritt sie die Grenzen, die ihr als Dienstbote gesetzt waren. »Ich packe Ihnen gerne auch ein wenig ein, damit Sie es mit nach Hause nehmen können!«
    »Ja, tu das!«, forderte Lore sie auf, der Carolines Heißhunger ebenfalls nicht entgangen war.
    »Aber das geht doch nicht!«, wehrte diese ab. Dennoch sah sie im Geiste bereits, wie sie die leckeren Sachen zu Hause auspackte und für die Mutter anrichtete.
    »Natürlich geht das«, erklärte Lore und befahl Jutta, ihnen Wein nachzuschenken.
    »Sie sind viel zu gut zu mir!«, sagte Caroline mit halb erstickter Stimme, während ihr zwei Tränen über die Wangen liefen.
    »Sie sind mir eine liebe Freundin geworden, und ich möchte nicht, dass Sie etwas bedrückt.« Mit diesen Worten streichelte Lore die Hände ihres Gastes. Diese waren kalt und dünn und erinnerten sie an das Märchen von Hänsel und Gretel, das sie vor kurzem in einem Magazin gelesen hatte.
    »Meine Liebe, ich will Sie nicht mästen wie die Hexe im Wald den armen Jungen, aber Sie brauchen Kraft, um die Nadel sicher führen zu können. Wenn Sie hier essen, tun Sie auch unserer Freundin Mary einen Gefallen. Diese ist auf Sie angewiesen, denn Sie sind ihre beste Kraft.«
    Der Gedanke, irgendwann einmal zu schwach zu sein, um noch gute Arbeit leisten zu können, erschreckte Caroline, und so ließ sie es zu, dass Jutta ihr als Nachtisch noch ein Stückchen Marmorkuchen servierte.
    Auch Lore erhielt ein Stück und aß es mit großem Genuss. »Wir sollten bald wieder einmal zusammen ausfahren und in ein Café einkehren«, sagte sie zwischen zwei Bissen.
    »In der Zeit kann ich doch nicht für Mrs. Penn arbeiten«, antwortete Caroline erschrocken. Schließlich brauchte sie jeden Pfennig, um die gestundete Miete zu bezahlen. Außerdem wollte sie Lore bei diesen Ausfahrten nicht auch noch auf der Tasche liegen. Von ihrem Vater wusste sie, wie leicht ein Mensch zum Schnorrer werden konnte, und sie wollte unter allen Umständen vermeiden, den gleichen Weg zu gehen wie er.

IX.
    E twa um die Zeit, in der Caroline sich auf den Heimweg machte, betrat Leutnant Friedrich von Trepkow das Haus in der Möckernstraße, in dem seine Mutter und seine Schwester lebten. Beim Anblick das schäbigen, nach Kohl und Zwiebel riechenden Korridors verzog er angewidert den Mund. »Nur gut, dass ich meinen Regimentskameraden und Bekannten erklärt habe, Mama und Caroline würden sich meist bei Verwandten auf dem Land aufhalten. Wäre zu blamabel für mich, wenn sie jemand hier aufsuchen wollte«, murmelte er vor sich hin.
    Auf dem Weg nach oben sah er einen Kohlenträger zum Hinterausgang eilen und wartete einen Augenblick, bevor er

Weitere Kostenlose Bücher