Aprilgewitter
weiterging, damit der schwarze Staub, den der Mann hinterließ, nicht seine neue Uniform beschmutzen konnte.
Als er das Zimmer seiner Mutter betrat, hatte sein Gesicht jedes Anzeichen von Unmut verloren. »Guten Morgen, liebste Mama. Du siehst heute wieder besser aus!«, grüßte er, wich aber geschickt den Armen aus, die sie ihm entgegenstreckte. Stattdessen drehte er das Gaslicht höher, um mehr sehen zu können.
Als er sich wieder zu seiner Mutter umdrehte, erschrak er. Sie bestand nur noch aus Haut und Knochen, und ihr Nachthemd hing
ihr wie ein viel zu weiter Sack am Leib.
Ihre Augen glänzten jedoch vor Freude, ihn zu sehen. »Es ist schön, dass du so bald wieder zu mir gekommen bist, mein Junge. Fiene, besorge etwas zu essen für Friedrich und eine Flasche Wein!«
Die alte Frau verdrehte die Augen. »Das wird nicht möglich sein, gnädige Frau, denn wir haben kein Geld im Haus. Die paar Pfennige, die wir noch besitzen, hat Fräulein Caroline mitgenommen.«
»Dann borge dir etwas von unseren Nachbarn. Sie werden uns gewiss ein paar Mark auslegen, bis Caroline ihnen das Geld zurückgeben kann.«
Da die Kranke von ihrer Forderung nicht abließ, verließ Fiene das Zimmer. Dabei überlegte sie, wie sie dieses Wunder vollbringen könnte. »Ich bin ja nicht unser Herr Jesus Christus, der aus einem Brot fünftausend machen und Wasser in Wein verwandeln kann«, brabbelte sie vor sich hin.
Trotzdem wagte sie das schier Unmögliche. Doch wo sie auch anklopfte und fragte, schlugen ihr die Bewohner die Tür vor der Nase zu.
Unterdessen zog Friedrich von Trepkow den Stuhl in die Nähe des Bettes und setzte ein schmeichelndes Lächeln auf. »Liebste Mama, es ist ganz gut, dass Caroline und unsere gute Fiene im Augenblick nicht hier sind. Ich befinde mich, wie ich zugeben muss, in einer katastrophalen Lage. Habe mich mit einigen anderen Herren verpflichtet, eine größere Summe zusammenzubringen. Lass mich jetzt bitte nicht im Stich! Meine Ehre als Offizier wäre sonst beim Teufel.«
Bis zu diesem Tag hatten solche Reden immer den gewünschten Erfolg gezeitigt, doch nun huschte ein abweisender Ausdruck über Frau von Trepkows Gesicht. »Es tut mir leid, mein Sohn, aber ich habe dir bei deinem letzten Besuch alles gegeben, was ich noch hatte. Wir verfügen nicht einmal mehr über genug Geld, um uns satt essen zu können. Bei der schmalen Kost ist Caroline bereits ganz dünn geworden, und sie näht nun für eine Schneiderin, um die Miete zusammenzubringen.«
Leutnant von Trepkow schüttelte unwillig den Kopf. »Liebe Mama. Ihr habt doch von zu Hause sicher eine Reserve für Notfälle gerettet. Jetzt ist so ein Notfall! Wenn ich mich nicht beteilige, verliere ich meine Ehre und muss das Regiment verlassen! Würde zu einem Linienregiment in Ostpreußen oder gar zum Train abkommandiert werden.«
»Vielleicht wäre das besser für dich!« Die Freude, ihren Sohn zu sehen, war Frau von Trepkow vergangen. Mit einem Mal sah sie klarer als all die Wochen zuvor und begriff, dass Friedrich immer nur gekommen war, um Geld zu fordern. Selbst als Caroline ihn angefleht hatte, ihnen wenigstens so viel zu lassen, damit sie einen Arzt bezahlen konnten, hatte ihn das nicht gerührt.
»Ich kann dir nichts geben, und ich will es auch nicht mehr!«, sagte sie mit Tränen in den Augen. »Da du stets nur kommst, um mich anzubetteln, wäre es besser, wenn du in Zukunft fernbleibst.«
Friedrich von Trepkow glaubte, nicht recht zu hören. »Das meinst du doch nicht im Ernst!« Im nächsten Moment packte ihn die Wut. »Du bist es mir schuldig, mir das Geld zu geben! Wo ist der Schmuck, den du mitnehmen konntest? Werde ihn schätzen lassen und verkaufen.«
»Ich hatte Schmuck!«, antwortete die Mutter gequält. »Den hast du vor einem halben Jahr bekommen, damit du deine Spielschulden zahlen konntest. Jetzt ist nichts mehr da.«
»Das kann nicht sein!« Am liebsten hätte Friedrich von Trepkow seine Mutter gepackt und geschüttelt, bis sie das Versteck ihrer Schätze preisgab. Davor scheute er dann doch zurück und sagte sich, dass diese elende Bleibe kaum Möglichkeiten bot, Wertsachen zu verbergen. Daher trat er auf den alten Schrank zu, öffnete ihn und warf alles, was er darin fand, auf den Fußboden.
»Was tust du denn da?«
»Da du mir nichts geben willst, muss ich mir selbst helfen.«
Ein paar Hemden und das beste Kleid seiner Schwester flogen ebenso auf den Haufen wie die wenige Wäsche, die Caroline sorgfältig im Schrank
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