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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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verstaut hatte. Plötzlich ertastete Friedrich von Trepkow mit den Fingern etwas, das sich wie ein Schmuckstück anfühlte.
    »Wer sagt es denn!«, rief er und zog seinen Fund ans Tageslicht. Es handelte sich um eine handtellergroße Brosche aus Gold, die mit edlen Steinen besetzt war. Zwar konnte er nicht sagen, wie viel sie wert war, schätzte aber, dass sie ihm einige hundert Mark einbringen würde.
    Während ihr Sohn das Schmuckstück jubelnd hochhielt, richtete Frau von Trepkow sich mühsam in ihrem Bett auf. »Diese Brosche darfst du nicht nehmen, Friedrich! Sie ist in meiner Familie über Generationen von Mutter zu Tochter weitergegeben worden, und so soll es auch weiterhin geschehen! Caroline wird sie zu ihrer Hochzeit tragen.«
    Friedrich von Trepkow lachte schallend auf. »Woher soll Caroline denn einen Ehemann nehmen? Es wird das Beste sein, wenn sie in ein Stift eintritt.«
    »Ohne Mitgift wäre sie dort nur eine lumpige Magd.« Jetzt wurde die Mutter zornig und forderte ihn auf, die Brosche zurückzulegen.
    Ihr Sohn zählte innerlich schon das Geld, das er für das Schmuckstück bekommen würde, und schüttelte den Kopf. »Ich denke nicht daran.«
    »Friedrich!« Frau von Trepkows Stimme überschlug sich, und sie brachte das, was sie noch hatte sagen wollen, nicht mehr heraus. Mit unendlicher Mühe kämpfte sie sich aus dem Bett und wollte auf ihn zugehen. Da versagten ihr die Kräfte, und sie stürzte zu Boden.
    »Nicht die Brosche! Nicht die Brosche!«, wimmerte sie unter Tränen.
    »Mach doch kein solches Gesums um dieses elende Ding! Ihr könnt es ohnehin nicht brauchen. Aber mir hilft es aus einer teuflischen Klemme.«
    Friedrich von Trepkow wollte das Schmuckstück wegstecken und nach weiteren Kleinodien suchen, da wurde die Tür geöffnet, und Caroline trat herein.
    »Friedrich, du?«, rief sie verwundert, sah dann die Brosche in seiner Hand und die am Boden kauernde Mutter. »Leg die Brosche zurück! Mama hängt an ihr, und wir dürfen sie ihr nicht wegnehmen.«
    »Du meinst, du hängst daran! Ich brauche sie und nehme sie mit.« Der Leutnant achtete nicht weiter auf seine Schwester und durchwühlte weiter den Schrank.
    Caroline eilte zu ihrer Mutter, um ihr aufzuhelfen. Kaum stand diese auf den Beinen, wankte sie mit unsicheren Schritten auf ihren Sohn zu und versuchte, ihm das Schmuckstück abzunehmen.
    Er stieß sie zurück und warf auch noch den restlichen Inhalt des Schranks auf den Boden. Da sich darunter nichts von Wert befand, drehte er sich zu seiner Schwester um, die eben die schluchzende Mutter ins Bett zurückbrachte.
    »Wo habt ihr das andere Zeug versteckt? Sagt es, sonst …« Mit geballten Fäusten ging er auf Caroline zu.
    »Wir haben nichts mehr! Ich musste unsere letzten Kaffeetassen zum Pfandleiher tragen, um ein paar Kartoffeln kaufen zu können. Wenn es nach dir ginge, wären wir längst verhungert!«
    Seine Antwort bestand in einer Ohrfeige, die sie gegen die Wand neben dem Bett prallen ließ.
    »Wir haben wirklich nichts mehr«, rief sie, während ihre Wange sich rötete und ihr der Schmerz die Tränen in die Augen trieb.
    Da traf sie der nächste, noch härtere Schlag.
    »Wird’s bald!«, bellte ihr Bruder sie an.
    »Erschlag mich! Du wirst trotzdem keine andere Antwort erhalten.« Caroline stand hoch erhobenen Hauptes vor ihm und nahm seine nächste Ohrfeige hin, ohne mit der Wimper zu zucken. Der Leutnant schlug noch einige Male zu. Erst als ihr das Blut aus der Nase und von der aufgeplatzten Lippe rann, begriff er, dass sie sich eher zusammenschlagen lassen würde, als klein beizugeben.
    Seine Mutter, die zuerst wie erstarrt dagelegen war, schrie auf, als hätten die Hiebe sie getroffen. »Du bist noch schlimmer als dein Vater, Friedrich! Er hat uns mit seinem Leichtsinn ins Elend gebracht, aber du nimmst uns auch noch das Letzte, das wir zum Leben brauchen, und machst nicht einmal vor der eigenen Schwester Halt. Ich verfluche dich! Von heute an bist du nicht mehr mein Sohn!«
    Ihre Stimme klang so laut und klar wie seit Monaten nicht mehr, und die Augen in dem ausgezehrten Gesicht glühten wie brennende Kohlen. Sie streckte noch die Hand aus, als wolle sie ihren Sohn packen. Doch im nächsten Moment sank sie mit einem unmenschlich klingenden Stöhnen auf das Bett zurück und blieb steif darauf liegen.
    »Mama!« Caroline stürzte zu ihr hin und schlang die Arme um sie. »Mama, was ist mit dir? Sag doch etwas!«, flehte sie, während ihr Blut das Nachthemd der Mutter

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