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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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auch schuld am Tod ihrer Eltern und Geschwister gewesen war. Wer würde den Hass der jungen Frau besser nachvollziehen können als sie? Dennoch bemühte sie sich, Caroline gut zuzureden, damit diese nicht von ihren Gefühlen aufgefressen wurde.
    Ihre Fürsorge tat Caroline gut, und so konnte sie Lore am frühen Abend in ihr bisheriges Heim begleiten. Dort lernte sie eine neue Seite an ihrer Freundin kennen. Diese kanzelte die Wohnungseigentümerin, die neugierig aus ihren Zimmern gekommen war, mit der Arroganz der Nachkommin eines altadeligen Geschlechts ab, welches bereits mit König Ottokar von Böhmen die Pruzzen in Ostpreußen unterworfen hatte.

XII.
    I n den nächsten Tagen wurde Caroline bewusst, dass Lore und sie tatsächlich Welten trennten, obwohl sie im gleichen Jahr geboren waren. Während sie den Dingen hilflos gegenüberstand, bewältigte Lore alle Anforderungen souverän und organisierte nicht nur die Beerdigung ihrer Mutter, sondern auch ihren Umzug aus dem dunklen Zimmer in das schöne Haus, in dem diese sich mit Fridolin eingemietet hatte. Die alte Fiene durfte mit einziehen und erhielt sogar ein eigenes Kämmerchen.
    Jean und Nele rümpften die Nase über den Neuzugang. Aber Fiene hatte lange genug auf dem Gut derer von Trepkow gearbeitet, um zu wissen, wie es in einem herrschaftlichen Haushalt zuging, und freundete sich rasch mit Jutta an. Diese erkannte in ihr eine verwandte Seele, die auch immer fröhlich ihre Arbeit tat.
    Frau von Trepkows Begräbnis war würdig und pietätvoll. Zwar gehörte der Sarg nicht zu den teuersten, war aber einer Dame ihres Standes angemessen, und die Teilnehmer zeigten zumindest ehrliche Anteilnahme. Neben Caroline und ihrer Dienerin waren Lore, Fridolin, Mary, Konrad und Gregor Hilgemann erschienen, um der ihnen fremden Frau die letzte Ehre zu erweisen. Fiene nahm tief bewegt unter Tränen Abschied von ihrer Herrin, der sie seit deren Heirat mit Major von Trepkow gedient hatte. Jutta stand neben ihr und stützte sie. Nele und Jean hingegen hielten sich im Hintergrund und nahmen das Begräbnis als gute Gelegenheit wahr, sich ein paar arbeitsfreie Stunden zu gönnen.
    Der Sohn der Verstorbenen fehlte jedoch, denn Caroline hatte es nicht über sich gebracht, ihren Bruder vom Ableben der Mutter in Kenntnis zu setzen. In ihren Augen hatte er durch sein Verhalten ihren Tod verursacht, und nun wollte sie nichts mehr mit ihm zu tun haben. Zwar wäre er verpflichtet, für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, doch wie sie ihn kannte, würde er sie eher verhungern lassen, als ihr auch nur ein Stück Brot abzugeben. Daher musste sie sich offiziell von ihrer Hände Arbeit ernähren. Sie hoffte, dass Lore ihr so lange Asyl gewähren würde, bis sie für sich und Fiene eine Unterkunft mieten konnte.
    Nur mühsam fing Caroline ihre Gedanken wieder ein und lauschte den Worten des Pastors, der die Tote als eine Frau pries, die selbst im Unglück nicht den Glauben an Gott verloren habe und nun im Himmel ihre Erfüllung finden werde. Seine Ansprache, so dachte Caroline, hätte ihrer Mutter gefallen. Gewiss wäre sie nicht so lang und so eindringlich ausgefallen, hätte Lore nicht eine ansehnliche Summe für die Pfarrei gespendet. Jedenfalls hatte er sich niemals in Mutters Zimmer im Hinterhaus blicken lassen, obwohl diese sich sicher gefreut hätte, mit einem geistlichen Herrn sprechen zu können.
    Du darfst nicht so bitter sein, schalt Caroline sich. Denke lieber daran, wie schlimm es hätte werden können, wenn Lore dir nicht beistehen würde.
    Sie schenkte der Freundin einen dankbaren Blick und fühlte gleichzeitig Scham, weil diese so viel Geld für die Beerdigung einer ihr vollkommen fremden Frau ausgab. Hinterher würde es sogar einen kleinen Leichenschmaus geben, zu dem auch der Pastor, die Sargträger und der Totengräber eingeladen waren.
    Damit, sagte Caroline sich, war der Ehre der von Trepkows wahrlich Genüge getan. Allerdings würde sie niemals in der Lage sein, Lore all das zu vergelten. Inzwischen wusste sie, dass die Freifrau nicht nur die Freundin der Modesalonbesitzerin Mary Penn war, sondern auch deren Geschäftspartnerin, und nahm sich vor, all ihre Fähigkeiten einzusetzen, damit die Kleider der beiden in Berlin Furore machten.
    Lore merkte, wie die Gedanken ihrer Freundin wanderten, und fasste nach deren Hand. »Glauben Sie mir, Caro, es wird alles gut werden!«
    Gehorsam nickte Caroline. »Das wird es ganz sicher!«
    Als die Sargträger den Sarg vorsichtig an

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