Aprilgewitter
sich, dass diesmal die Schuld bei ihr lag, denn sie hatte sich in den letzten Tagen tatsächlich um nichts anderes mehr gekümmert als um Caroline und deren Angelegenheiten.
»Ich wünsche den Damen noch einen angenehmen Nachmittag. Oh Verzeihung! Ich wollte Sie nicht kränken, Fräulein von Trepkow, denn ich weiß, dass diese Zeit für Sie alles andere als angenehm ist. Darf ich Sie noch einmal meiner tiefsten Anteilnahme versichern und Ihnen danken, dass Sie meiner Frau während meiner Zeit beim Militär eine gute Freundin sein wollen?« Fridolin verbeugte sich sowohl in Carolines wie auch in Lores Richtung.
Lore sah mit einem leicht spöttischen Lächeln zu ihm auf. »Ich hoffe, Caro wird mir auch später noch eine gute Freundin sein, wenn du deinen Säbel längst an die Wand gehängt hast und die Uniform nur noch zu besonderen Anlässen wie des Kaisers Geburtstag tragen wirst.«
»Das werde ich, liebe Lore, das werde ich!« Caroline fasste Lores Hände und presste sie sich an die Wangen.
Lore spürte die Feuchtigkeit, die die Tränen auf dem Gesicht der Trauernden hinterlassen hatten, und empfand gleichzeitig eine tiefe Dankbarkeit, die junge Frau kennengelernt zu haben. Mit ihr und Mary hatte sie zwei Freundinnen, mit denen sie reden konnte, und in wenigen Wochen würde Nati zu ihnen stoßen. Dieser würde es gewiss gelingen, Caroline wieder zum Lachen zu bringen. Mit diesem Gedanken verabschiedete sie sich von ihrem Mann und forderte die übrigen Gäste auf, nicht zaghaft zu sein und frische Getränke zu bestellen.
XIV.
I n den nächsten Tagen war Lore froh um Carolines Gesellschaft. Zwar konnte diese sie wegen ihrer Trauer nicht begleiten, wenn sie Einladungen zu Kaffeestunden und Damenkränzchen erhielt. Dafür aber kannte sie einige der Damen aus der Zeit, in der ihr Vater noch das Gut besessen hatte, und vermochte ihr Ratschläge zu erteilen. Für Lore waren diese doppelt wertvoll, da aus dem Hintergrund immer noch gegen sie und in verstärktem Maß auch gegen Fridolin gehetzt wurde.
Selbst von Seiten ihrer Gastgeberinnen musste Lore etliche spitze Bemerkungen hinnehmen. Die Gelassenheit jedoch, mit der sie auf die Bosheiten reagierte, und einige humorvolle Antworten ließen sie fast immer als Siegerin aus diesen verbalen Duellen hervorgehen. Selbst Frau von Stenik, die sie wahrlich nicht zu ihren Freundinnen zählen konnte, hielt nach einer Weile zumindest in ihrer Gegenwart den Mund.
Als Lore zum zweiten Mal deren Haus in der Markgrafenstraße betrat, sah sie sich unvermittelt Malwine von Trettin gegenüber. Diese starrte sie an und öffnete schon den Mund, um etwas zu sagen, winkte dann aber verächtlich ab. Am Tisch saßen sie sich gegenüber, und Lore konnte an der Miene ihrer Gastgeberin ablesen, dass die Begegnung von Frau von Stenik bewusst in die Wege geleitet worden war.
Einige Damen schienen in deren Plan eingeweiht zu sein, denn Lore meinte bei ihnen die Vorfreude auf einen saftigen Skandal wahrzunehmen. Sie straffte den Rücken und richtete ihr Augenmerk auf Kriemhild von Wesel, die eben das Wort an Malwine richtete. »Ich bin Ihnen wirklich böse, meine Liebe, weil Sie uns nicht darüber informiert haben, dass Ihre verehrte Verwandte ebenfalls in Berlin weilt.«
»Eine verehrte Verwandte?« Malwine vermochte ihren Zorn nicht mehr zu bezähmen. »Diese Person ist nicht nur eine Diebin, die uns um viel Geld gebracht hat, sondern trägt auch die Schuld am Tod meines Mannes!«
Die Anklage schlug wie eine Bombe ein. Bis auf Frau von Stenik kannte keine die Hintergründe des Streits zwischen Lore und ihrer Verwandten, und selbst diese wirkte nun pikiert, weil Malwine so grob reagiert hatte, anstatt gezielte Stiche mit dem Florett zu setzen.
Lore wusste, dass sie etwas erwidern musste, und legte sich schnell die richtigen Worte zurecht. »Sie verwechseln die Tatsachen, Frau Lanitzki! Ich habe dem Gut kein Geld entnommen. Wie hätte ich es auch tun können? Es hat schließlich meinem Großvater gehört. Außerdem habe ich nicht das Geringste mit dem Ableben Ihres Mannes zu tun.«
Die Tatsache, dass sie ihre Widersacherin nicht mit deren erheiratetem Namen, sondern dem Geburtsnamen ansprach, ließ keinen Zweifel daran, dass sie keinerlei verwandtschaftliche Beziehungen zu ihrem Gegenüber wünschte. Gleichzeitig stellte das fehlende »von« in Malwines Namen diese als schlichtes Frauenzimmer ohne Adel hin.
»Du hast sehr wohl Geld gestohlen!«, keifte Malwine zurück. »Dein Großvater
Weitere Kostenlose Bücher