Aprilgewitter
Leutnant wie dessen Schwester.
Auch Gregor Hilgemann sah aus, als könne er sich nur mühsam beherrschen. Mehrfach ballte er die Rechte zur Faust, wagte aber wegen des neben ihm sitzenden Kutschers nicht, etwas zu sagen. Doch als sie vor der Konditorei Kranzler anhielten, vermochte er sich nicht mehr zurückzuhalten. »So ein Lump! Tut, als wäre nichts geschehen. Ich bitte die Damen zu verzeihen, dass ich Ihnen diese Begegnung nicht ersparen konnte. Doch wenn ich mit diesem Herrn so verfahren wäre, wie es ihm gebührt, wäre ich unangenehm aufgefallen.«
»Schon gut«, versuchte Lore ihn zu beruhigen. »Sie tragen an dieser Begegnung keine Schuld, und um diesen Herrn in seine Schranken weisen zu können, tragen Sie den falschen Rock. Sie müssten schon als Hauptmann auftreten oder besser noch als Major.«
Bei diesen Worten blitzten Gregors Augen auf. Er hatte nach dem Gymnasium sein Freiwilligenjahr abgeleistet und war im Range eines Oberfeldwebels in die Reserve entlassen worden. Daher kannte er das Militär und glaubte, auch einen Offizier glaubhaft darstellen zu können. Als Lakai verkleidet war es ihm nicht möglich, Lore und Caroline den Schutz zu bieten, den diese benötigten. Er behielt diesen Gedanken jedoch für sich, während er die Damen in die Konditorei geleitete.
XIX.
F riedrich von Trepkow hatte die Charlottenburger Chaussee beim Großen Stern verlassen und trabte nun die Hofjägerallee entlang. Dabei verspürte er weniger Trauer um die Mutter als vielmehr eine höllische Wut auf seine Schwester, die alles darangesetzt hatte, um ihn bei Frau von Trettin unmöglich zu machen. Er fühlte sich doppelt vom Pech verfolgt. Zum einen würde er wohl kaum noch die Wette gegen von Campe gewinnen, und zum anderen gab es niemanden mehr, der ihm Geld zustecken konnte. Die Vorstellung erschreckte ihn, denn mit seinem Sold kam er nicht aus. Wenn kein Wunder geschah, würde er bald seine Versetzung in die Provinz einreichen müssen.
Da fiel ihm das Geschenk für Prinz Wilhelm ein, zu dem er bereits eine erkleckliche Summe als Anzahlung geleistet hatte. Ich hätte mich niemals auf diese Sache einlassen sollen, fuhr es ihm durch den Kopf. Das Geld, das er für die Brosche erhalten hatte, hätte ihm ein zusätzliches Jahr hier in Berlin verschafft und damit die Zeit, Wilhelmine Grünfelder für sich zu gewinnen. So oder so, in jedem Fall würde er Fridolin von Trettins Frau weiterhin den Hof machen, um sie womöglich doch noch zu verführen oder zumindest von Campe daran zu hindern, zum Ziel zu kommen. Aber selbst dann, wenn die Wette unentschieden endete, war da noch der zweite, größere Teil für die Dampfyacht zu zahlen, und das Geld besaß er ebenso wenig.
»Zum Teufel!«, fluchte er unbeherrscht und hörte im nächsten Augenblick jemanden lachen.
»Bei Gott, Trepkow! Welche Laus ist Ihnen denn über die Leber gelaufen?«
Der Leutnant blickte auf und erkannte Major von Palkow, der zu ihm aufgeschlossen hatte und ihn neugierig musterte. Im ersten
Augenblick war ihm die Begegnung unangenehm, er sagte sich dann aber, dass er bei von Palkow immer ein offenes Ohr gefunden
hatte. Vielleicht vermochte dieser ihm einen Rat zu geben, wie er aus dieser elenden Situation herauskommen konnte.
»Schön, dass ich Sie treffe, Herr Major. Haben Sie einen Augenblick Zeit für mich?«, sagte er voller Anspannung.
Von Palkow hob die Augenbrauen. »Klingt ganz so, als steckten Sie in Schwierigkeiten, Trepkow. Mein Beileid übrigens. Habe gehört, Ihre Mutter sei gestorben. Wahrlich ein herber Verlust!«
»Das können Sie laut sagen!« Friedrich von Trepkow dachte an das Geld, das ihm seine Mutter bei seinen Besuchen zugesteckt hatte. »Will deswegen mit Ihnen sprechen. Die Sache macht mir Riesenärger. Musste den Pfaffen bezahlen. Außerdem das ganze Drumherum, das zu einer Beerdigung gehört. Jetzt bin ich blank bis auf die Knochen. Das wird auch das ganze Jahr über so bleiben. Überlege mir schon, aus unserem Prinz-Wilhelm-Club auszusteigen. Ich kann mir die nächste Rate nicht leisten.«
»Jetzt werfen Sie die Flinte nicht gleich ins Korn. Sie haben doch sicher Verwandte, die Ihnen beistehen können«, antwortete der Major, während seine Gedanken rasten. »Wissen Sie was? Darüber reden wir in meinem Appartement in der Potsdamer Straße. In der Akademie platzt andauernd jemand ins Zimmer. Ich sage Ihnen eines, Trepkow: Lassen Sie sich nie zum Schulmeister machen. Das ist kein guter Posten!«
Von Palkow nannte
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