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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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oder, besser gesagt, im Auftrag eines anderen.«
    »Was für ein Auftrag?« Obwohl der Major kurz auflachte, konnte er sein Erschrecken nicht verbergen.
    »Es mag sein, dass man hierzulande und bei den Franzosen der Meinung ist, andere wären blind und taub. Doch der Geheimdienst Seiner Majestät, des Zaren, ist durchaus in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen. Ich habe erfahren, dass ein französischer Agent mehrmals Ihr angebliches Liebesnest in der Potsdamer Straße betreten hat. Ein kluger Plan von Ihnen, so zu tun, als würden Sie dort nur Ihre Geliebte empfangen! Aber nicht klug genug für uns.«
    Während Tirassow weitersprach, überschlugen sich von Palkows Gedanken. Er verfluchte Delaroux, der nicht gut genug achtgegeben hatte, und auch jenen unbekannten russischen Spion, dem der Franzose aufgefallen war. Zuerst wollte er jeden Kontakt mit Delaroux abstreiten und es so darstellen, als müsse dieser jemand anderen besucht haben. Doch als er sein Gegenüber musterte, begriff er, dass der General ihm keinen Glauben schenken würde.
    Daher beschloss er, sich mit Frechheit zu retten. »Auch die Franzosen haben ein Interesse, Prinz Wilhelm auszuschalten. Warum sollte ich ihre Hilfe nicht annehmen? Ich selbst kann keine Bombe auf der Dampfyacht installieren.«
    »Sie hätten diese Hilfe, wie Sie es nennen, auch über mich erhalten können«, konterte der Russe. »Ich dachte, Sie wären ein aufrechter Patriot, dem das Schicksal seines Heimatlands am Herzen liegt! Doch Sie sind auch nichts als eine erbärmliche, käufliche Kreatur wie so viele andere.«
    Diese verächtlichen Worte trieben von Palkow die Zornesröte ins Gesicht, und er hätte ihn am liebsten auf Pistolen oder Säbel gefordert. Doch Tirassow war von zu hoher Abkunft, als dass die Richter bei dessen Tod im Duell noch ein Auge zudrücken würden. Eine Verbannung in eine abgelegene Festung an der Reichsgrenze im Osten oder gar Festungshaft aber würden alle seine Pläne zunichtemachen.
    »Sie sollten sich daran erinnern, dass auch Sie mich kaufen wollten«, entgegnete er daher mit schneidender Stimme. »Sie haben mir Geld und einen hohen Rang dafür geboten, wenn ich Ihnen den Prinzen aus dem Weg räume. Warum also sollte ich das Angebot der Franzosen ablehnen?«
    Tirassow hob die Hand, als wolle er dem Major ins Gesicht schlagen, senkte sie dann aber mit einer verächtlichen Geste. »Es ist ein großer Unterschied, ob man etwas aus Überzeugung und aus Liebe zu seiner Heimat tut oder nur um des schnöden Mammons willen. Mein Ziel ist es, das Bündnis zwischen unseren Reichen, das ich durch Prinz Wilhelm gefährdet sehe, zu bewahren. Ihnen aber geht es nur um Geld und einen höheren Rang. Ich warne Sie! Treiben Sie es nicht zu weit. Die Franzosen versuchen, einen Keil zwischen das Russische und das Deutsche Reich zu treiben. Daher werden sie alles daransetzen, um die Schuld an dem Attentat russischen Agenten in die Schuhe zu schieben. Bevor ich das zulasse, werde ich eher den Prinzen warnen und darauf hoffen, dass seine Dankbarkeit seine Meinung über Russland ändern wird.
    Denken Sie also gut darüber nach, von Palkow, und treffen Sie die richtige Entscheidung. Die falsche wird Sie nämlich schnurstracks ins Verderben führen. Und nun leben Sie wohl!« Mit diesen Worten kehrte Tirassow dem Major den Rücken und ging zur Tür.
    Von Palkow starrte ihm nach, und seine Rechte glitt unwillkürlich zum Griff des Revolvers, den der Russe ihm vor fast siebzehn Jahren aus Bewunderung für seinen Mut geschenkt hatte. Doch als er ihn ziehen wollte, erkannte er, dass er sich damit nur selbst ans Messer liefern würde. Wenn er den General aus dem Weg räumen wollte, musste diese Tat heimlich geschehen, und dafür war hier der denkbar ungeeignetste Ort. Eines aber war von Palkow vollkommen klar: Schon um seiner eigenen Sicherheit willen durfte Tirassow nicht am Leben bleiben.

XVII.
    E s fiel Lore nicht leicht, Caroline von Trepkow daran zu hindern, sich ganz in sich zurückzuziehen und nur noch für ihre Arbeit zu leben. Wenn sie am Morgen aufstand, saß Caroline bereits über ihre Näharbeit gebeugt und unterbrach diese nur, wenn sie zu den Mahlzeiten gerufen wurde.
    Auch Jutta passte es nicht, dass Caroline sich immer mehr abkapselte, und sprach schließlich Lore darauf an. »Sie sollten etwas tun, gnädige Frau, damit das Fräulein wieder an die frische Luft kommt. So geht sie uns noch ein wie eine Primel.«
    Lore nickte nachdenklich. »Du hast recht, Jutta!

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