Aprilgewitter
Der Preis dafür würde der Tod eines Mannes sein und das zerstörte Leben eines anderen.
Dieser Gedanke erfüllte von Palkow noch, als Malwine sich wieder anzog, während er sich nackt auf den Stuhl setzte und sich eine Zigarre ansteckte.
»Woran denkst du?«, fragte Malwine.
»An deinen Hass auf deine Verwandten. Ich werde alles tun, um dir zu helfen, sie zu vernichten!«, versprach er ihr in der Hoffnung, sich wenigstens ein Mal in ihrer Beziehung als der Stärkere fühlen zu können. Dabei grinste er verzerrt und blies Rauchringe in die Luft.
»Jetzt rede schon!«, fuhr Malwine ihn an und hob die Hand, als wolle sie ihn wie einen kleinen Jungen züchtigen.
»Du wirst erlauben, dass das mein Geheimnis bleibt!« Dem Major war in dem Moment, als ihm die verhängnisvollen Worte herausgerutscht waren, klar geworden, dass er besser geschwiegen hätte. Malwine war hartnäckig und gab nicht eher auf, bis sie überzeugt war, alles zu wissen. Also musste er ihr eine Geschichte erzählen, die ihr schlüssig schien, das Wichtigste aber verschweigen.
»Es geht um von Trepkow. Er hat erfahren, dass Fridolin von Trettin das Grünfelder-Mädchen heiraten will. Seitdem ist er fuchsteufelswild. Würde mich nicht wundern, wenn er den Burschen vor den Lauf seiner Pistole holt!«
Malwine klatschte begeistert in die Hände. »Hoffentlich tut er es! Wenn dieser Lump erst einmal tot ist, wird die Schneiderin schon merken, wie ihr der Eiswind um die Nase pfeift. Die setzt mich kein weiteres Mal bei den übrigen Damen in ein schlechtes Licht!« In ihrer Erregung achtete sie nicht auf die Miene des Majors, die nun doch schuldbewusst wirkte, weil er ihr die wahren Beweggründe für sein Handeln vorenthielt.
Daher war von Palkow froh, als seine Geliebte sich nach einer guten Stunde verabschiedete. Erst dann zog er sich ebenfalls an, rauchte eine weitere Zigarre und wartete auf den Abend. Dabei berauschte er sich an der Angst, die Elsie am Vortag gezeigt hatte, und freute sich darauf, eine Frau unter sich zu spüren, bei der er den Takt vorgab. Außerdem hielt er Elsie für verkommen genug, sich für seine Pläne benützen zu lassen. Erleichtert, weil er alles im Griff hatte, prostete er seinem Spiegelbild zu und freute sich trotz einer gewissen Wehmut darauf, die schlichte Dienstuniform eines preußischen Majors gegen Frack und Zylinder eines amerikanischen Millionärs eintauschen zu können.
V.
N athalias Ankunft brachte Leben ins Haus. Nach den langen Wochen in der Schule, in der sie brav hatte sitzen müssen und nur in Reih und Glied spazieren gehen dürfen, genoss sie es in vollen Zügen, sich endlich wieder frei bewegen zu können. Für Lore war es nicht ganz einfach, den Übermut ihres Schützlings zu bremsen. Allerdings würde sie mit ihr weitaus öfter aus dem Haus kommen als bisher, denn Nathalia wollte einfach alles in Berlin sehen, was interessant sein konnte. Ihr erstes Ziel war die Straße Unter den Linden. Dort saßen sie zusammen in der Konditorei Kranzler, aßen Windbeutel und genossen die heiße Schokolade.
Hinterher kaufte Nathalia Bratwürste bei einem Straßenhändler, der diese auf einem kleinen Herd briet, den er sich vor den Bauch geschnallt hatte. Da Fridolin in den letzten Tagen, bevor er zum Militär einrücken musste, noch einiges in Grünfelders Bank zu erledigen hatte und zudem mehrmals in der Woche den Uniformschneider aufsuchte, begleitete Gregor Hilgemann die Damen als vorgeblicher Hauptmann der Artillerie. Allein seine Anwesenheit genügte, um Lore und Nathalia unliebsame Zwischenfälle zu ersparen.
Am Nachmittag fasste Nathalia den Beschluss, Marys Modesalon zu besuchen. »Ich brauche noch ein paar Kleider für hier und für Bremen«, erklärte sie Lore. »Mit den Klamotten, die ich in der Schule anziehen muss, will ich in den Ferien nicht herumlaufen.«
»Vielleicht sollten wir das morgen machen, bevor die anderen Kundinnen zu Mary kommen«, schlug Lore vor, um die Gerüchte, die endlich ein wenig im Abklingen waren, nicht erneut anzuheizen.
Damit kam sie bei Nathalia nicht gut an. »Dann verlieren wir einen ganzen Tag, bis ich mein erstes Kleid bekomme. Mary muss es mir sofort schneidern, verstehst du!«
»Wenn du willst, nähe ich dir ein Kleid«, bot Lore an, stieß damit jedoch auf wenig Gegenliebe.
»Dann sitzt du den ganzen Tag zu Hause und stichelst mit der Nadel herum. Ich will aber, dass du mit mir Ausflüge unternimmst! Ich habe nur vier Wochen Zeit, dann muss ich nach
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