Aprilgewitter
spitzte die Ohren. Dabei verwünschte sie von Campe, der noch immer auf sie einredete, ins hinterste Pommern. » … habe aus zuverlässiger Quelle gehört, dass Trettin sich scheiden lassen will, um Wilhelmine Grünfelder zu heiraten. Deren Vater hat ihn wohl auch deswegen dazu überredet, sein Freiwilligenjahr beim Militär abzuleisten. Trettin ist sehr strebsam, meine Liebe, und mit dieser Heirat wird er zum Besitzer einer der größten Banken in Berlin. Dafür lässt ein Mann sich gerne scheiden. Außerdem hat er auch so Grund genug. Immerhin ist er bereits mehrere Jahre verheiratet, ohne dass seine Frau ihre Pflicht erfüllen und ihm einen Erben schenken konnte.«
Während Lore sich fragte, ob denn die ganze Welt verrückt geworden sei, traf diese Indiskretion ihren Belagerer wie ein Schlag. Ebenso wie Friedrich von Trepkow träumte von Campe davon, Wilhelmine Grünfelder selbst zu ehelichen und so an das Vermögen ihres Vaters zu gelangen. Jetzt zu hören, der Bankier wolle seine millionenschwere Tochter mit Fridolin von Trettin verheiraten, war eine Katastrophe für ihn. Nun dachte er nicht mehr an seine Wette mit von Trepkow oder seine Tischnachbarin, sondern überlegte angestrengt, wie er Fridolin als Konkurrenten ausstechen konnte.
Zwar war Lore erleichtert, dass der Offizier sie nun in Ruhe ließ, aber sie brachte Frau Steniks Worte nicht mehr aus dem Kopf. Das ist wieder so eine gemeine Lüge, die Malwine in die Welt gesetzt hat, sagte sie sich. Dennoch spürte sie ein Ziehen in der Brust und wusste zuletzt nicht mehr, was sie denken sollte.
VIII.
D u wirst doch nicht glauben, was diese Gewitterhexe behauptet hat!« Nathalia kochte förmlich vor Wut. Gleichzeitig spürte sie, dass Lore die Sache näherging, als sie es erwartet hatte. Bislang hatte das Mädchen sich wenig Gedanken über die Ehe ihrer großen Freundin gemacht. Für sie hatten Lore und Fridolin genauso zusammengehört wie Thomas und Dorothea Simmern in Bremen. Doch ganz so einfach schien die Angelegenheit nicht zu sein.
Lore kämpfte mit einem bitteren Gefühl, versuchte aber zu lächeln. »Natürlich glaube ich es nicht. Das ist nichts als ein böses Gerücht, das Malwine in die Welt gesetzt hat. Ich könnte die alte Giftspritze erwürgen!«
»Tu es lieber nicht. Die reibt sich noch in der Hölle die Hände, wenn du wegen Mordes ins Gefängnis kommst oder gar geköpft wirst.«
»Nein, diesen Triumph will ich ihr wahrlich nicht gönnen!« Mit ihrer Bemerkung war es Nathalia gelungen, Lore ein wenig aufheitern. Diese winkte jetzt einer Droschke und wies den Fahrer an, sie nach Hause zu bringen.
Doch kurz vor dem Ziel änderte Lore ihre Meinung und ließ den Wagen vor dem Haus anhalten, in dem Mary und Konrad wohnten. Das Dienstmädchen ihrer Freunde öffnete ihr und erklärte, die Herren befänden sich im Wohnzimmer. Als Lore eintrat, fand sie Gregor Hilgemann über ein Schreibheft gebeugt, um ihn herum lagen mehrere dicke Bücher mit verwirrenden Aufschriften. Konrad saß auf dem Sofa, hielt seinen Sohn auf dem Schoß und las Zeitung.
Beim Anblick des Kindes empfand Lore Neid. Hätte sie bereits ein Kind, würden gewiss keine solch üblen Gerüchte aufkommen oder zumindest nicht geglaubt werden. Sie trat auf den Jungen zu und streichelte ihn versonnen. »Na, kleiner Mann, wie geht es dir?«
Das Kind gluckste und langte mit seinem Patschhändchen nach ihrem rechten Zeigefinger. »Das heißt wohl gut«, schloss Lore daraus und begrüßte dann Konrad und Gregor Hilgemann.
»Einen schönen guten Tag! Wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich gerne auf Mary warten. Da Fridolin heute zum Heer eingerückt ist, ist es mir zu Hause zu ruhig.«
Während Gregor verständnisvoll nickte, zog Konrad die Stirn kraus. Da Nathalia bei Lore zu Gast war, hielt er diese Bemerkung für eine Ausrede. Außerdem lebte doch Caroline von Trepkow zurzeit bei ihr, mit der Lore ebenfalls hätte reden können. Zu anderen Zeiten hätte er sie offen gefragt, ob etwas vorgefallen sei, doch er wollte ihre Privatangelegenheiten nicht vor seinem Untermieter ausbreiten, auch wenn dieser mittlerweile zu einem vertrauten Freund der Familie geworden war.
»Du wirst noch eine Stunde auf Mary warten müssen. Wollt ihr inzwischen etwas lesen?« Die Frage galt auch der Komtess, denn das Schlimmste, was Konrad sich vorstellen konnte, war eine sich missachtet fühlende oder gelangweilte Nathalia.
»Du kannst mir ein Stück Zeitung geben«, antwortete Lore und wandte sich
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