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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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ätzend.
    Jutta zuckte zusammen und konnte gerade noch verhindern, dass sie mit der Schere in den Stoff hineinschnitt. Mit zitternden Händen blickte sie Fridolin an. »Gnädiger Herr, haben Sie mich aber erschreckt! Ihre Frau Gemahlin wird es gewiss bedauern, heute nicht zu Hause geblieben zu sein.«
    »Ich bedauere es auch«, sagte Fridolin und dachte, wie unterschiedlich Menschen sein konnten. Während Jean und Nele wie die Mäuse auf den Tischen tanzten, wenn die Herrschaft außer Haus war, tat Jutta brav ihre Arbeit, obwohl sie das, was sie jetzt machte, im Grunde nicht hätte tun müssen. Offenbar hatte seine Frau alle Weiber hier im Haus mit ihrem Nähfimmel angesteckt. Alle bis auf Nele, dachte er spöttisch. Die hatte lieber für den Diener die Beine breit gemacht. Er fragte sich, ob er nicht doch härter hätte reagieren sollen. Dafür aber war es nun zu spät.
    »Ich will dich nicht weiter stören, Jutta. Da ich nicht sofort wieder in die Kaserne zurückkehren will, werde ich etwas Zeitung lesen. Ach ja, kennst du den Offizier, der meine Frau heute begleitet?«
    Jutta nickte mit einem Auflachen. »Eigentlich ist es kein echter Offizier, sondern Herr Hilgemann. Er meinte, als Lakai verkleidet habe er nicht die Autorität, um die Damen vor Belästigungen zu schützen. Also hat er sich bei einem Trödler die Uniform eines Hauptmanns der Artillerie besorgt!«
    Also doch nicht von Campe. Fridolin wollte schon aufatmen, da merkte er, dass ihm die Vertrautheit, mit der Lore den geschassten Studenten behandelte, ebenfalls nicht behagte. Er tröstete sich jedoch damit, dass Nathalias und Carolines Anwesenheit ausreichen würde, die Schicklichkeit zu wahren.
    Während er sich hinsetzte und die Zeitung an sich nahm, holte Jutta eine Flasche Wein aus dem Keller. Als sie zurückkam, wirkte ihre Miene verkniffen. »Verzeihen Sie, gnädiger Herr. Ich mag eigentlich nicht petzen, aber als ich eben die Flaschen abgezählt habe, waren es drei weniger als vor einer Woche. Dabei haben weder die gnädige Frau noch die Komtess, noch Fräulein von Trepkow davon getrunken.«
    »Ich habe die tanzenden oder, besser gesagt, trinkenden Mäuse gerade überrascht. Ich hoffe, die beiden werden in Zukunft auf solche Eskapaden verzichten!«
    »Das hoffe ich auch«, warf Jutta ein und sagte sich, dass der gnädige Herr viel zu gutmütig war. Sie hätte das saubere Pärchen schon längst auf die Straße gesetzt.
    Fridolin ging über Juttas Unmut hinweg und widmete sich der Zeitung. Obwohl etliche Artikel durchaus interessant waren, fühlte er sich unwohl. Es war alles so still um ihn herum. Nur gelegentlich drangen Geräusche von der Straße herein und bewiesen, dass sich dieses Haus nicht allein auf der Welt befand. Unruhig geworden legte er die Zeitung auf den Tisch und blickte auf die große Standuhr, die er als eines der ersten Möbelstücke in Berlin gekauft hatte. Seit er die Zeitung aufgeschlagen hatte, war gerade mal eine halbe Stunde vergangen. Doch ihm kam es wie eine Ewigkeit vor.
    Beschämt erinnerte er sich daran, wie oft Lore hier allein hatte sitzen und auf ihn warten müssen. Ob ihr die Zeit auch wie zäher Kautschuk vorgekommen war, der sich dehnte und dehnte, ohne dass ein Ende abzusehen war? Nun wunderte er sich nicht mehr, dass sie sich so verzweifelt an Mary und den gemeinsamen Modesalon geklammert hatte. Anstatt ihr zu helfen und bei Grünfelder auf den Tisch zu schlagen, hatte er einen völlig unsinnigen Streit mit ihr vom Zaun gebrochen und sie zu einem Leben in kaum erträglicher Einsamkeit verurteilt. Da war es kein Wunder, wenn sie Bekanntschaft mit solchen Leuten wie Gregor Hilgemann oder Caroline von Trepkow schloss. Letztere war ja noch akzeptabel, auch wenn sie seit dem Tod ihrer Mutter wie ein schwarzes Gespenst durch das Haus schlich und kaum ansprechbar war. Doch von einem Mann, der von der Polizei gesucht wurde, sollte Lore gefälligst die Finger lassen.
    Fridolin ließ dabei ganz außer Acht, dass er selbst Gregor Hilgemann als recht angenehmen Gesprächspartner kennengelernt hatte, der mitnichten zu den kriminellen Kreaturen zählte. Doch die Tatsache, dass der verkrachte Student immer wieder um Lore herumscharwenzelte und für sie auch noch als Hochstapler in Uniform auftrat, ärgerte ihn von Minute zu Minute mehr.
    Resigniert legte er die Zeitung beiseite und nahm Papier und einen Schreibstift aus einer Kommode, um Lore einen Brief zu schreiben. Doch als er nach den ersten Zeilen den Satz »War es für

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