Aprilgewitter
Pistole offen in der Hand hielt, und verbarg sie rasch unter ihrem Kleid.
Bis jetzt war alles gut gegangen, und sie betete darum, dass es auch so blieb.
XVII.
O bwohl das Handtuch die beiden Schüsse gedämpft hatte, waren sie laut genug gewesen, um ein Mädchen im Separee nebenan zu wecken. Zuerst nahm die Hure an, in der Nähe würde ein Feuerwerk abgebrannt. Doch als alles still blieb, stand sie auf und blickte neugierig zur Tür hinaus. Dort schien alles unverändert. Schon wollte sie wieder zu ihrem schlafenden Freier zurückkehren, da entdeckte sie, dass die Tür von Hannas Separee offen stand. Dabei verlangte Hede Pfefferkorn nachdrücklich von allen Mädchen, die Türen aus Gründen der Diskretion geschlossen zu halten.
Verwundert wollte die Frau ihre Kollegin zur Rede stellen. Doch als sie in das vom gedämpften Licht der Gaslampe erhellte Zimmer trat und die beiden starren Gestalten in ihrem Blut liegen sah, stieß sie einen Schrei aus, der durch das ganze Haus hallte.
Innerhalb kürzester Zeit sammelten sich andere Huren und deren Kunden um sie. Selbst Hede war durch den Schrei aus ihrem Schlaf erwacht und wankte noch halb betäubt in das Zimmer, aus dem das heftige Stimmengewirr erklang. Fassungslos blieb sie neben dem Bett stehen, auf dem die Toten lagen.
»Was ist geschehen?« Ihre Stimme klang dünn und brüchig wie die einer Greisin.
Einer ihrer Stammkunden, ein erfahrener Staatsanwalt, übernahm das Kommando. »Das werden wir schon herausbringen! Keiner verlässt das Haus, verstanden. Anton, du wirst sowohl das Portal wie auch die Hintertür verschließen und mir die Schlüssel übergeben!«
Dann stellte er die ersten Fragen. Doch keiner hatte irgendetwas gesehen, auch wenn mehrere angaben, zweimal kurz hintereinander einen dumpfen Knall gehört zu haben.
»Ich hätte nicht gedacht, dass es sich dabei um Schüsse handeln könnte. Dabei bin ich Ehrenvorsitzender des Schützenvereins in meinem Heimatort«, erklärte Baron Kanter, der, nachdem er vor Jahren in diesem Etablissement mit Fridolin aneinandergeraten war, das
Le Plaisir
nur noch hin und wieder aufsuchte.
»Ich habe es auch nicht für Schüsse gehalten, sondern dachte, in der Nähe würde ein Feuerwerk abgebrannt«, stimmte ihm das Mädchen zu, das den Mord entdeckt hatte.
Elsie hielt sich im Hintergrund, obwohl alles in ihr danach schrie, den Leuten zu sagen, sie hätte den Freiherrn von Trettin mit der Waffe in der Hand aus diesem Separee kommen sehen. Doch damit hätte die Frage im Raum gestanden, weshalb sie nicht gleich Alarm geschlagen hatte. Daher biss sie sich auf die Lippen und nahm die erste Gelegenheit wahr, die Flasche mit dem Rest des betäubenden Weins aus dem Separee an sich zu nehmen und in der Küche auszugießen. Als sie sich wieder zu den anderen gesellte, stellte Leutnant von Trepkow endlich die Frage, auf die sie gewartet hatte.
»Wo ist eigentlich Fridolin von Trettin?«
»Der war eben noch in meinem Büro und hat geschlafen«, antwortete Hede, die sich selbst wunderte, wieso sie plötzlich so müde geworden war. Dabei war sie noch nie während der Geschäftszeiten eingeschlafen.
»Nun, dann lassen Sie uns mal nachsehen, ob er noch dort ist!« Staatsanwalt von Bucher wandte seine Schritte in Hedes Privaträume und fand Fridolin dort schlafend vor. Als er ihn rüttelte, dauerte es eine ganze Weile, bis Fridolin die Augen aufschlug und verwirrt um sich blickte.
»Voll wie eine Haubitze!«, spottete von Trepkow, während Baron Kanter ein paarmal schnupperte.
»Riechen Sie nicht auch Pulverdampf?«, fragte er den Leutnant.
Dieser sog betont auffällig die Luft ein und nickte. »Sie haben recht, Kanter. Ganz deutlich!«
Mit einem Mal starrten alle Fridolin an, der nicht begriff, was um ihn herum geschah. Er stand auf, musste sich aber sofort am Tisch festhalten, so schwindelig war ihm. Noch während er versuchte, den Kopf freizubekommen, rutschte etwas aus seiner Uniformjacke und fiel zu Boden. Unwillkürlich wollte er sich bücken, doch der Staatsanwalt war schneller und schnappte sich die zweiläufige Taschenpistole.
Er schnüffelte an den Läufen und sah dann Fridolin streng an. »Ist das Ihre Waffe?«
Verwirrt nickte Fridolin.
»Aus dieser Waffe ist vor kurzem geschossen worden, Trettin. Und zwar wurden damit Fürst Tirassow und Hede Pfefferkorns Angestellte Hanna erschossen. Betrachten Sie sich als verhaftet. Sie werden beschuldigt, die beiden ermordet zu haben.« Nach diesen Worten rief der
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