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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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Passantin hat sie mir gezeigt.«
    »Wo?«
    »Direkt beim Brandenburger Tor! Sie war mit einer Droschke vorgefahren. Ein junges Mädchen war bei ihr, vielleicht elf, zwölf Jahre alt, dazu eine Dame in Trauerkleidung und ein junger Offizier.«
    Hedes Beschreibung war so eindeutig, dass es sich um niemand anders als um Lore, Nathalia, Caroline von Trepkow und Gregor Hilgemann handeln konnte. Jetzt fragte Fridolin sich, weshalb seine Frau ihn nicht auf sich aufmerksam gemacht und ihm zugewinkt hatte. War er ihr schon so gleichgültig geworden?
    Während Fridolin diesen trüben Gedanken nachhing, brachte Elsie unaufgefordert Wein in das Separee, in dem Tirassow sich mit Hanna vergnügte, und schenkte ein. Der Fürst griff sofort zu und trank das Glas in einem Zug leer.
    Elsies angespannte Miene machte einem Ausdruck der Zufriedenheit Platz. Mehr als ein halbes Dutzend Mal hatte sie von ihm Schläge hinnehmen müssen, die nicht nur schmerzhaft, sondern auch demütigend gewesen waren. Den Hurenlohn und den größten Teil des üppigen Trinkgelds aber hatte Hanna kassiert, so dass für sie nur Brosamen abgefallen waren. Elsie spürte, wie die Wut erneut in ihr hochkochte, und verließ das Separee, bevor das Paar dies bemerken konnte.
    Die nächste Stunde verbrachte sie in der Küche. Angespannt lauschte sie auf die Geräusche, die aus dem Empfangssalon und den umliegenden Separees drangen und nach und nach verebbten. Die Freier, die ihr Mädchen für die ganze Nacht gemietet hatten, waren nach ihrer erschöpfenden Tätigkeit wohl eingeschlafen. Nur gelegentlich erschien ein neuer Kunde, wählte eine Frau aus und verschwand mit ihr in einem Zimmer.
    Als die Uhr die zweite Stunde des neuen Tages schlug, stand Elsie auf und ging durch das Haus. Hinter der einen oder anderen Tür erklang noch das Gekicher einer Kollegin oder das erregte Keuchen eines Mannes, doch in dem Separee, in dem Hanna sich mit ihrem Kunden aufhielt, war alles ruhig. Als Elsie kurz darauf in Hede Pfefferkorns Büro sah, lehnte diese in ihrem Sessel und schlief. Auch Fridolin schnarchte leise.
    Elsie nahm die noch zu einem Viertel volle Flasche an sich und kehrte in die Küche zurück. Dort schüttete sie den restlichen Wein weg und legte die Flasche zu dem Leergut, das morgens weggebracht wurde. Jetzt oder nie, sagte sie sich und schlich in das Zimmer, in dem sie gewöhnlich ihre Kunden empfing. Dort hob sie die Matratze an einer Ecke hoch und zog die kleine Pistole hervor, die von Palkow ihr gegeben hatte. Sie machte die Waffe schussfertig, schlang ein bereitliegendes Handtuch so um die Hand, dass die Waffe nicht zu sehen war, und lief dann den Flur entlang zu Hannas Separee.
    Fürst Tirassow lag auf dem Rücken, ebenso nackt wie Hanna, die ihn noch in der Betäubung liebkosend umfangen hielt. Obwohl der Mann wehrlos war, zitterte Elsie wie Espenlaub. Sie musste zweimal ansetzen, bis die Mündung der Pistole seine Schläfe berührte. Mit geschlossenen Augen drückte sie ab. Obwohl der Knall des Schusses durch das Handtuch gedämpft wurde, erschien er ihr so laut, dass sie befürchtete, die ganze Straße müsse zusammenlaufen.
    Erschrocken riss Elsie die Augen auf und starrte auf den Mann. Ein gerade mal kirschkerngroßes Loch war an seiner Schläfe zu sehen, umgeben von schwarzem Pulverschmauch. Der Mann war so tot, wie er mit einer Kugel im Gehirn nur sein konnte. Doch jetzt regte Hanna sich, murmelte schlaftrunken ein paar Worte und versuchte sich trotz ihrer Betäubung aufzusetzen.
    Elsie geriet in Panik. Wenn Hanna sie sah, würde sie auf dem Schafott enden. Ohne nachzudenken, richtete sie die Pistole auch auf sie und drückte ab. Mit einem letzten Seufzer sank Hanna in sich zusammen und blieb regungslos liegen, während ihr Blut das Laken rot färbte.
    Von Grauen erfüllt wandte Elsie sich ab und rannte davon. Erst als sie in der Küche angekommen war, erinnerte sie sich daran, dass sie die Waffe Fridolin von Trettin unterschieben musste. Daher machte sie noch einmal kehrt und betrat Hede Pfefferkorns Büro. Beim Anblick der Puffmutter bedauerte sie, dass die Pistole leergeschossen war, sonst hätte sie diese kurzerhand ebenfalls umgebracht. Rasch wandte sie sich Fridolin zu, griff unter seine Uniformjacke und holte eine Pistole heraus, die der Mordwaffe wie ein Zwilling glich, und tauschte sie gegen die, mit der sie geschossen hatte. Nach einem kurzen Blick in den Flur rannte sie wieder in Richtung Küche. Dort erst bemerkte sie, dass sie Fridolins

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