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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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Staatsanwalt den Türsteher Anton zu sich und befahl ihm, Schutzleute zu holen, die Fridolin abführen sollten.
    »Danach organisieren Sie einen Arzt. Er soll die Opfer untersuchen und den Totenschein ausstellen. Die anderen Herrschaften bitte ich, sich in eine Liste einzutragen, damit sie als Zeugen dieses unerhörten Vorfalls befragt werden können.«
    »Um Gottes willen, nein! Das gibt einen Skandal! Meine Frau lässt sich scheiden, wenn sie erfährt, dass ich in diesem Sündenbabel gewesen bin«, rief ein Mann entsetzt.
    Der Staatsanwalt hob begütigend die Hand. »Das ist kein Problem! Wir werden mit der notwendigen Diskretion vorgehen. Wenn Trettin seine Schuld zugibt, müssen Sie gar nicht erst vor Gericht erscheinen.«
    »Ich habe niemanden erschossen«, stöhnte Fridolin, außer Hede Pfefferkorn hörte niemand auf ihn, doch auch sie vermochte nicht zu begreifen, was sich in der letzten Stunde in ihrem Haus zugetragen hatte.

I.
    H ede Pfefferkorn tauchte die Hände in eiskaltes Wasser und benetzte sich die pochenden Schläfen. Allmählich gelang es ihr, wieder einen klaren Gedanken zu fassen und über das nachzudenken, was in der Nacht geschehen war. Es hatte zwei Tote gegeben, Fürst Tirassow und eines ihrer besten und hübschesten Mädchen. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sie an Hanna dachte. Obwohl man in ihrem Metier keine Gefühle hegen sollte, hatte sie das Mädchen gemocht. Ihr Tod erschütterte sie bis ins Mark, und sie fröstelte unter dem Gefühl, dass auch sie das Opfer des infamen Mörders hätte sein können.
    Was Fridolin betraf, so hatte er weder Streit mit dem Russen noch mit Hanna gehabt. Ihres Wissens waren er und der Fürst nicht einmal näher miteinander bekannt. Was für einen Grund hätte er haben sollen, die beiden zu ermorden? Auch war Fridolin kein jähzorniger Mensch. Unter den Gästen des Vortags hatte es genug Männer gegeben, gegen die er weitaus eher Groll hätte hegen können als gegen Tirassow. Baron Kanter zum Beispiel, dem er schon einmal im Duell gegenübergestanden hatte, oder auch die beiden Offiziere von Campe und von Trepkow, die er für einige Äußerungen jederzeit hätte fordern können.
    Hede hätte ihre rechte Hand darauf verwettet, dass jemand von Anfang an geplant hatte, den Fürsten und Hanna umzubringen und Fridolin die Waffe unterzuschieben. Darauf deutete auch die Tatsache hin, dass die Pistole einfach herausgerutscht und zu Boden gefallen war. So dumm, Tirassow und Hanna zu erschießen und sich dann mit nachlässig eingesteckter Pistole schlafen zu legen, wäre Fridolin nie gewesen.
    Aber was nutzte es, dass sie von Fridolins Unschuld überzeugt war? Auf sie würde niemand hören, am wenigsten Staatsanwalt von Bucher, der den Fall so rasch und mit so wenig Aufsehen wie möglich über die Bühne bringen wollte. Als Puffmutter galt sie als moralisch verkommen und würde Fridolin keine Hilfe sein können. Doch wer sonst war in der Lage, ihm beizustehen? Bankier Grünfelder gewiss nicht. Der war zwar ebenfalls hier gewesen, hatte sich aber feige im Hintergrund gehalten und kein Wort zu Fridolins Gunsten gesagt.
    Da schob sich Lores Bild in ihre Gedanken. Fridolin hatte seine Frau beherzt und klug genannt. Vielleicht fand sie einen Weg, ihrem Mann zu helfen. Von dieser Idee gepackt beendete Hede ihre Morgentoilette, kleidete sich um und trat in den unnatürlich leer wirkenden Empfangssalon. Die meisten Mädchen hatten sich in ihre Zimmer zurückgezogen oder saßen in der Küche zusammen und tauschten sich leise miteinander aus.
    Hede stellte missmutig fest, dass immer noch die Reste von Keksen und anderem Knabbergebäck herumlagen und auch die Weingläser und Flaschen nicht weggeräumt worden waren. Daher ging sie in die Küche und fuhr die dort versammelten Mädchen an. »Was sitzt ihr hier herum? Draußen sieht es aus, dass man sich schämen muss! Seht zu, dass ihr sauber macht!«
    »Aber nicht das Zimmer, in dem die Toten liegen!«, rief eines der Mädchen aus.
    »Bis der Leichenbestatter die beiden geholt hat, dürft ihr es ohnehin nicht betreten. Danach soll Elsie sich darum kümmern.«
    Diese wehrte sogleich mit beiden Händen ab. »Nein, das dürfen Sie nicht von mir verlangen!«
    »Dann werde ich eben eine Aushilfskraft von einer Vermittlerin holen. Jetzt habe ich etwas anderes zu tun. Wenn ich zurückkomme, will ich hier alles sauber vorfinden!«
    Es fiel Hede nicht leicht, so harsch zu sein, denn etliche der Mädchen waren mit Hanna

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