Aprilgewitter
der Mörder zu sein.
Aber wer war es dann? Wer hatte Grund, einen russischen Fürsten zu erschießen und ihm diese Tat in die Schuhe zu schieben? Sosehr Fridolin auch darüber nachsann, er kam zu keinem Ergebnis. Durch das lange Grübeln schlichen sich zuletzt Selbstzweifel ein. Hatte der Wein vielleicht ein narkotisierendes Gift enthalten, unter dessen Wirkung er zum Mörder geworden war?
Dann dachte er an Lore. Wie würde sie es aufnehmen, wenn er des Mordes in einem verrufenen Etablissement beschuldigt wurde? Sie konnte doch nur mit Abscheu und Ekel an ihn denken. Er schämte sich zutiefst, weil er sich dazu hatte hinreißen lassen, ins
Le Plaisir
zu gehen, auch wenn er dort nur Hedes Gesellschaft gesucht hatte.
Eines wurde ihm in diesen Stunden so klar wie ein lichter Frühlingstag: Schon um Lores willen durfte er es nicht zu einer Gerichtsverhandlung kommen lassen. Ganz gleich, wie diese ausging, unter den herrschenden Umständen würde sie von da an von der besseren Gesellschaft geächtet werden, und ihr bliebe nichts anderes übrig, als sich tief in die Provinz zurückzuziehen und dort abseits der Gesellschaft zu leben. Also war es vielleicht doch besser, von Buchers Angebot mit der Pistole anzunehmen.
»Wenn ich nur wüsste, wer mir diesen Schlamassel eingebrockt hat!« Wütend schlug Fridolin mit der Faust gegen die Wand, hielt dann aber inne und dachte angestrengt nach. Im Grunde war die Auswahl nicht besonders groß. Jene Person musste wissen, dass er eine dieser kleinen amerikanischen Taschenpistolen bei sich trug, und war zudem in der Lage gewesen, ihm ein Betäubungsmittel beizubringen. Je länger er darüber nachsann, umso sicherer war er sich, dass ein Gift in dem Wein gewesen sein musste, den er mit Hede zusammen getrunken hatte. Dies bedeutete, dass der wirkliche Mörder von einem der Mädchen unterstützt worden war.
Unwillkürlich dachte er an Elsie. Eine solche Schandtat traute er dieser miesen, kleinen Diebin zu. Wenn von Bucher sie verhaften und streng verhören ließ, würde sie wahrscheinlich gestehen. Schon wollte Fridolin nach dem Wachbeamten rufen, um den Staatsanwalt holen zu lassen. Im nächsten Moment schüttelte er resigniert den Kopf. Von Bucher würde ihm diesen Verdacht niemals abnehmen. Doch wenn er nicht einfach darauf warten wollte, bis man ihm eine Pistole brachte, damit er sich erschoss, musste er etwas tun. Daher klopfte er so lange an die Tür, bis ein Beamter erschien und harsch fragte, was denn los sei.
»Ich muss ein paar Briefe schreiben. Können Sie mir Papier und meinen Füllfederhalter bringen? Der ist mir bei der Verhaftung abgenommen worden. Außerdem brauche ich einen Tisch und einen Stuhl!«, erklärte Fridolin.
»Diesen Wunsch muss ich erst meinem Vorgesetzten mitteilen, der ihn dem Herrn Staatsanwalt vorlegen wird. Dieser wird aber erst morgen darüber entscheiden können, denn heute kommt er nicht mehr hierher!« Nach diesen Worten ging der Mann davon und ließ Fridolin in einem Zustand wachsender Verzweiflung zurück. Dieser eine Tag, den er dadurch verlor, mochte entscheidend sein. Wenn Elsie in das Verbrechen verwickelt war, würde sie gewiss schnellstens verschwinden. Bis sie dann zufällig aufgegriffen wurde, war er wahrscheinlich schon tot.
X.
E s war Fridolins Pech, dass Lore nichts von seinem Verdacht gegen Elsie ahnte. Daher konnte Leutnant von Trepkow ungehindert
vor dem
Le Plaisir
vorfahren und die beiden Huren abholen. Während Lenka nur eine kleine Reisetasche mitgenommen hatte, deren Inhalt für ein Wochenende reichen musste, schleppte Elsie ihren gesamten Besitz mit sich.
»Ihr glaubt doch nicht, dass ich noch einmal in dieses Haus zurückkehre«, erklärte sie den anderen Mädchen. »Ich verdiene mir jetzt noch ein paar Mark und suche mir dann eine andere Beschäftigung.«
»Wahrscheinlich in einem Soldatenpuff!«, höhnte eine Hure. »Übrigens, bevor du verschwindest, sollten wir alle unser Geld nachzählen. Du hast mir nämlich zu klebrige Finger!«
Sofort verlegten einige der Mädchen Elsie den Weg zur Tür, während die anderen in ihre Zimmer eilten und ihre Sparstrümpfe überprüften. Sogar Hede öffnete die Schatulle, in der sie ihr Geld und ihre Wertsachen verwahrte, konnte aber ebenso wie die anderen aufatmen, denn es war nicht das Geringste verschwunden. Sie überlegte kurz, ob sie Elsie die paar Mark abnehmen sollte, die diese ihr noch schuldete, verwarf den Gedanken jedoch wieder. Das hätte nur Streit bedeutet und ihr
Weitere Kostenlose Bücher