Aprilgewitter
Verstehe ich. Solche Weiber können anhänglich werden. Die wird man ohne Skandal nicht mehr los. Nachdem ihr Mann als Mörder verhaftet worden ist, wird sie sich bestimmt einen suchen, der sie tröstet.«
»Ich sagte Ihnen doch, ich würde Ihnen das Geld für die Dampfyacht leihen. Vorher aber will ich Ihr Haus in Kleinmachnow für ein Wochenende mieten.«
Von Trepkow starrte den Major verwundert an. »Wegen mir können Sie die Hütte kaufen. Ich überlasse sie Ihnen ganz billig. Der Kasten ist verdammt renovierungsbedürftig!«
»Ich benötige das Haus nur für ein Wochenende«, erklärte von Palkow lächelnd.
»Wohl für ein Tête-à-Tête, was?« Aus den Worten des Leutnants sprach Neid.
»Nun, gerne ein Tête-à-Tête zu viert, wenn Sie mit von der Partie sind. Sonst werde ich die Gesellschaft der beiden Mädchen allein genießen!« Der Major grinste anzüglich, denn es war bekannt, dass von Trepkow sich wegen seiner knappen Finanzen nur selten erotische Eskapaden leisten konnte.
Da ihm diese Gelegenheit nun zusammen mit der Miete für das Haus angeboten wurde, griff der Leutnant mit beiden Händen zu. »Ist ja kolossal, Herr Major! Bin selbstverständlich dabei. Wann soll es sein?«
»Morgen! Sie nehmen gegen zwei Uhr nachmittags eine Kutsche und holen die Huren beim
Le Plaisir
ab. Dort weiß man Bescheid!« Von Palkow klopfte dem Leutnant noch einmal auf die Schulter und verabschiedete sich. Auf dem Heimweg zur Kadettenanstalt drehten sich seine Gedanken ganz um Elsie, streiften aber auch Lenka, die er seit langem begehrte und die ihm nun wie ein reifer Apfel in den Schoß fallen würde.
IX.
F ridolin hatte einen ganzen Tag gebraucht, um seine Betäubung zu überwinden. Als sein Kopf wieder klarer wurde, fragte er sich, welchen Fusel Hede ihm diesmal aufgetischt haben mochte, denn so schlecht hatte er sich selbst nach dem schlimmsten Rausch nicht gefühlt. Erst allmählich kam ihm die Situation zu Bewusstsein, in der er sich befand. Er sollte einen Mord begangen haben – sogar einen Doppelmord, wenn er den Worten von Buchers glauben durfte, der ihn gerade aufsuchte.
Der Staatsanwalt baute sich drohend vor ihm auf. »Sie sollten sich und uns den Prozess ersparen, Herr von Trettin, und Ihrer Ehre Genüge tun! Zu dem Zweck lasse ich Ihnen eine geladene Pistole in die Zelle bringen.«
Kopfschüttelnd starrte Fridolin ihn an. »Glauben Sie mir doch, Herr von Bucher! Ich habe die beiden nicht umgebracht.«
Das Gesicht des Staatsanwalts verzog sich höhnisch. »Alle Indizien sprechen gegen Sie. Die Tatwaffe gehört Ihnen und wurde auch bei Ihnen gefunden. Geben Sie doch um Himmels willen endlich Ihr nutzloses Leugnen auf! Wollen Sie unbedingt Ihre Ehre beschmutzen und zudem einen kolossalen Skandal entfachen, der die ganze Berliner Gesellschaft erschüttern wird? Ein Herr kann ein Bordell besuchen, wenn es nur diskret geschieht. Falls es jedoch zu einer Gerichtsverhandlung kommt, wird die Journaille über die tragenden Stützen unseres Staates herfallen und sie in den Schmutz ziehen. Den Ansehensverlust, den diese Herren, aber auch ihre Ehefrauen und Familien erleiden würden, können Sie sich gar nicht vorstellen. Denken Sie auch an Ihre reizende Gattin. Wenn Sie ehrenhaft in den Tod gehen, wird kein Schatten auf Frau von Trettin fallen. Lassen Sie es jedoch zum Äußersten kommen, wird sie für immer mit dem Stigma der Witwe eines infamen Mörders behaftet sein!«
Von Bucher redete eindringlich auf Fridolin ein, doch der wehrte mit erregter Geste ab. »Zum Teufel noch mal: Nein! Ich schieße mir keine Kugel in den Kopf, nur damit die Berliner Gesellschaft ruhig schlafen kann, während der wahre Mörder frei herumlaufen darf.«
Nun wurde der Staatsanwalt zornig. »Sie haben die Wahl, Trettin. Sie können als Ehrenmann sterben oder auf dem Schafott! Einen anderen Weg gibt es nicht. Und damit guten Tag!« Von Bucher befahl dem Gefängniswärter, der wartend neben der Tür stand, diese zu öffnen, und Fridolin blieb allein zurück.
Konsterniert starrte er gegen die kahlen Mauern der Zelle, die nicht mehr enthielt als eine harte Pritsche und einen schlichten Holzkasten mit einem Loch in der Mitte, der als Abtritt diente, und fragte sich, in welchen Alptraum er geraten war. Dabei versuchte er verzweifelt, sich den Verlauf jenes fatalen Abends noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. Allerdings gab es eine große Lücke in seiner Erinnerung, die er nicht zu füllen vermochte. Und doch war er sicher, nicht
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