Aprilgewitter
und sah bald darauf König Wilhelm am Fenster des Palastes stehen und grüßen. Dessen ältester Enkel Prinz Wilhelm stand in der Uniform eines Majors der Ulanen auf den Stufen des Eingangs und ließ sich keine Einzelheit entgehen. Die linke Hand hatte er auf den Knauf seines Säbels gestützt, während er mit der rechten immer wieder den Rand seines Helmes berührte.
Fridolin fragte sich, ob der Prinz wusste, dass er zu jenen gehörte, die sich auf das Abenteuer eingelassen hatten, ihm ein Schiff zu schenken. Für einen Augenblick dachte er an Oberst von Palkow, der die Idee aufgebracht hatte. Doch welche Pläne der Mann damit insgeheim verfolgt hatte, wusste wohl niemand.
Mit einem leichten Kopfschütteln verscheuchte er diese Gedanken und führte seinen Beritt zur Invalidenstraße zurück. Kurz bevor sie das Tor der Kaserne erreichten, sah er erneut Hede Pfefferkorn und Lenka, die nun in einer Droschke saßen. Nach einem kurzen Blick auf den Oberst, der bejahend nickte, löste Fridolin sich aus der Reihe der Reiter, trabte auf die beiden zu und grüßte Hede.
»Ich freue mich, dich wohlauf zu sehen!«
»Ich bin erfreut, dich zu sehen, nachdem du in den letzten Monaten einen weiten Bogen um das
Le Plaisir
gemacht hast. Allerdings kann ich dir das, nach alledem, was dort geschehen ist, nicht verdenken.« Hede rieb sich mit der Hand kurz über die Augen und schenkte Fridolin ein wehmütiges Lächeln. »Du hast eben eine ausgezeichnete Figur abgegeben. Hätte deine Frau dich so gesehen, wäre sie stolz auf dich gewesen.«
Um Fridolins Mund erschien ein bitterer Zug. »Ich glaube kaum, dass meine Frau sich für das interessiert, was ich derzeit mache.«
»Wenn sie dich liebt, wird sie es, und ich hatte … Ich glaube, sie liebt dich wirklich.« Hede hatte sich gerade noch daran erinnert, dass Fridolin möglicherweise nicht wusste, dass sie Lore persönlich kennengelernt hatte, und setzte noch rasch einen Satz hinzu. »Immerhin hast du mir viel über sie erzählt.«
»Das war in einer anderen Zeit!« Fridolin seufzte und musterte sie dann neugierig. »Du hast doch etwas auf dem Herzen, sonst hättest du mich nicht hier abgepasst.«
»Dir kann man wahrlich nichts vormachen!« Hede lächelte unsicher und wies dann auf Lenka. »Es geht um dieses Mädchen. Du weißt ja, dass du ohne Lenka auf dem Schafott gelandet wärst. Daher meine ich, du könntest dich ein wenig dankbar erweisen.«
»Solange es in meiner Macht steht, gerne«, antwortete Fridolin und musterte die junge Frau. Er hatte sie als berückend schönes Geschöpf im
Le Plaisir
erlebt und später erfahren, dass Elsie sie aus Rachsucht gefoltert hatte. Die Spuren waren inzwischen verschwunden, und sie wirkte immer noch hübsch, aber auf eine seltsame Art und Weise hausbacken. Das mochte an ihrer schlichten Frisur und dem einfachen, hochgeschlossenen Kleid liegen.
»Lenka hat über eine Zeitungsannonce Briefkontakt mit einem Farmer aus der kanadischen Provinz British Columbia aufgenommen, der hier in Deutschland eine Braut sucht, da es im Westen von Kanada zu wenig Frauen gibt. Jetzt würde sie gerne zu ihm reisen und ihn heiraten. Dafür bräuchte sie einen neuen und vor allem unauffälligen Pass ohne gewisse Eintragungen, eine Passage zweiter Klasse und vielleicht tausend oder zweitausend Mark als Mitgift. Ich finde, das sollte dir dein Leben wert sein!« Hede klang ein wenig gepresst, denn sie hasste es, betteln zu müssen. Zwar hatte sie Lenka bereits heimlich ein paar hundert Mark zugesteckt, aber mehr konnte sie sich nicht leisten, weil ihr Bordell nur langsam wieder in Schwung kam. Ihre eiserne Reserve, die sie Fridolin übergeben hatte, wollte sie in einer Zeit, in der sie so stark unter der Beobachtung der Behörden stand, nicht angreifen. Außerdem fand sie, dass Fridolin durchaus Grund hatte, sich erkenntlich zu zeigen.
»Die Überfahrt und die zweitausend Mark gebe ich Lenka gerne und wünsche ihr von Herzen, dass sie drüben ein neues Leben beginnen kann. Nur das mit dem Ausweis ist schwierig«, antwortete Fridolin zögerlich.
»Du kennst doch Herren, die über ihre Verbindungen einen solchen Pass besorgen können. Lenka wird dir ihren Geburtsort und den Namen ihrer Eltern nennen. Sie bittet aber darum, dass ihr Vorname als Helene geschrieben wird, da ihr Bräutigam eine deutsche Frau sucht, während sie selbst kaschubischer Herkunft ist.«
»Ich werde schauen, was ich machen kann. Sobald ich eine Möglichkeit sehe, schicke ich Kowalczyk
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