Aprilgewitter
Heirat mit ihr auf einen Schlag zum Millionär.
»Ich könnte natürlich sagen, ich tue es nur Ihnen zu Gefallen. Wenn Ihre Frau hört, dass Wilhelmine nicht Sie, sondern einen anderen erhört hat, wird sie Sie vielleicht trösten wollen!« Emil lachte darüber wie über einen guten Witz und klopfte Fridolin auf die Schulter.
»Kommen Sie, Herr Graf, sonst fahren uns die anderen davon, und wir müssen zusehen, wie wir bei dem Sauwetter an eine Droschke kommen!«
Während sie sich den übrigen Herren anschlossen, dachte Fridolin an Lore. Nun war der Hauptauslöser für ihren Zorn auf ihn durch eine Ehe Emil Dohnkes mit Wilhelmine gegenstandslos geworden. Nicht zuletzt deswegen beschloss er, alles zu tun, damit es zu dieser Heirat kam.
I.
L ore öffnete die Tür und sah hoffnungsvoll ins Freie, wurde aber wieder enttäuscht. Vor der Hütte war alles weiß. Ihr schien, als würde der Winter sich in diesem Jahr mit aller Macht gegen den Einzug des Frühlings stemmen. Dabei war der März fast vorbei, und in tiefer gelegenen Landstrichen hatten die Bauern bereits die Pferde eingespannt, um die Felder auf die Frühlingssaat vorzubereiten. Auch die Menschen hier in den Bergen warteten sehnsüchtig darauf, dass die Kälte wich und das erste Grün des Frühlings auf den Viehweiden spross.
»Es wird noch mehr Schnee geben!«, prophezeite Jutta düster. »Dann kann wieder keiner aus dem Dorf zu uns heraufsteigen und neue Vorräte bringen.«
Kopfschüttelnd schloss Lore die Tür und drehte sich zu ihrer Zofe um. »Wir verfügen über genügend Lebensmittel, um eine weitere Woche oder sogar zwei zu überstehen.«
Dabei wusste sie natürlich, dass es Jutta nicht um die schwindenden Vorräte ging. Der Mann, der ihnen einmal in der Woche die Sachen hochtrug, brachte auch Briefe mit, und davon gab es etliche. Nathalia schrieb beinahe täglich, Dorothea Simmern mindestens zweimal in der Woche, und gelegentlich traf auch ein Schreiben von Mary und Konrad ein. Nur von Fridolin hatte sie noch nichts bekommen. Zwar hatte Konrad ihr geschrieben, er habe ihm davon abgeraten, sich mit ihr in Verbindung zu setzen, damit es nicht zu weiteren Missverständnissen kam, dennoch schmerzte Lore das Schweigen ihres Mannes.
Er ist es nicht wert, dass ich mir so viele Gedanken um ihn mache, sagte sie sich und ließ den Blick durch die Hütte schweifen, die ihr schon seit Monaten Obdach gab. Das Gebäude war aus grob behauenen Baumstämmen gezimmert und mit dünnen Steinplatten gedeckt, die auf Brettern lagen, an denen teilweise noch die Rinde hing. Sie umfasste nur einen einzigen Raum, der Küche, Wohnraum und Schlafzimmer in einem war.
Obwohl das nächste Dorf eine Stunde entfernt auf dem Weg ins Tal lag, fühlte Lore sich hier längst nicht so einsam wie während der ersten Wochen in Berlin. Wenn sie ehrlich zu sich war, musste sie zugeben, dass dies hauptsächlich Juttas Verdienst war. Ihre Zofe schimpfte zwar gelegentlich über die primitive Art, hier zu hausen, war ihr aber zu einer guten Freundin geworden. Gegen die Einsamkeit halfen auch die vielen Briefe und die Modezeichnungen, die sie hier in langen Stunden anfertigen konnte und die sie bald Mary schicken wollte.
Nachdenklich nahm sie noch einmal die Briefe zur Hand, die der Mann aus dem Dorf zuletzt gebracht hatte, und las sie durch. Sie kannte sie zwar schon fast auswendig, aber dennoch freute sie sich erneut zu lesen, dass Marys und Konrads kleiner Jonny fleißig neue Worte lernte und bereits recht stramm zu marschieren wusste.
Nathalias Briefe ließen sie jedes Mal von neuem ratlos den Kopf schütteln. Das Mädchen vermochte sich einfach nicht mit dem in seinen Augen stupiden Tagesablauf im Internat anzufreunden und klagte über die Gemeinheiten ihrer Lehrerinnen und etlicher Schulkameradinnen. Mittlerweile machte Lore sich Vorwürfe, weil sie Nati nicht schon in Bremen, als sie noch für ihre Erziehung verantwortlich gewesen war, an andere Kinder gewöhnt hatte.
Dorothea ermahnte sie in ihren Briefen, allmählich ihren Trotz aufzugeben und Fridolin zu verzeihen. Schließlich habe er nichts Ehrenrühriges verbrochen und über einen gelegentlichen Besuch in einem der Häuser, deren Namen man als Dame nicht in den Mund nahm, sollte eine Gattin großzügig hinwegsehen. Lore fragte sich, ob Thomas wohl ebenfalls in solche Etablissements wie das
Le Plaisir
ging. Sie konnte sich das nicht vorstellen. Dabei machte sie Fridolin die Besuche dort nicht zum Vorwurf. Immerhin hatte Hede
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