Aprilgewitter
merkte rasch, dass Wilhelm von Preußen im Grunde kaum mehr über diese Sache wusste als er selbst, außer, dass etwas gegen ihn persönlich geplant gewesen war. Daher sah der Prinz es als sein Vorrecht an, Belohnungen zu vergeben, die im Grunde der Zustimmung seines Großvaters bedurft hätten. Allerdings würde Seine Majestät, der Kaiser, nicht umhinkommen, die Versprechungen seines Enkels in die Tat umzusetzen, wenn er dessen Ansehen nicht beschädigen wollte.
Während der Prinz auch die übrigen Herren seiner Gunst versicherte, fragte Fridolin sich, was Lore wohl dazu sagen würde, wenn sie wüsste, dass sie sich bald Gräfin Trettin nennen konnte. Wahrscheinlich würde sie, wäre sie Zeugin dieses Geschehens hier, schallend darüber lachen. Er hätte sich gerne bei Wilhelm von Preußen bedankt, doch der Prinz ließ keinen von ihnen zu Wort kommen, sondern lobte die Dampfyacht, die er, wie er sagte, unverzüglich zu einem Besuch in Stettin benützen wollte, und schritt dann zu dem Wagen, mit dem er gekommen war. Sein Adjutant folgte ihm, und so blieb nur noch ein frierendes Männergrüppchen am Ufer zurück.
»Ein imposanter junger Herr«, bemerkte Grünfelder, dem der Prinz ebenso wie Emil Dohnke die Erhebung in den Adelsstand versprochen hatte. Rendlinger hingegen freute sich über die Ankündigung Prinz Wilhelms, er werde sich persönlich dafür verwenden, dass seine Fabriken neue Heeresaufträge erhielten.
Trotzdem wandte er sich mit neiderfülltem Tonfall an Fridolin. »Sie haben ja von uns allen den Vogel abgeschossen. Hauptmann der Reserve und ein Grafentitel, das muss Ihnen erst einmal einer nachmachen.«
»Meinen Glückwunsch, Herr von Trettin. Ich hoffe, Sie finden jetzt doch wieder den Weg in mein Haus!« Grünfelder streckte Fridolin die Hand entgegen. Dieser ergriff sie nach kurzem Zögern.
»Das wird wahrscheinlich noch ein wenig dauern. Der Dienst, wissen Sie …«
»Aber heute können Sie doch mitkommen! Schließlich haben wir etwas zu feiern.«
Noch während Fridolin überlegte, wie er sich herauswinden konnte, ohne den Bankier zu verletzen, kam Rendlinger ihm zu Hilfe. »Ich habe eine Feier in meinem Palais arrangieren lassen und darf Ihnen mitteilen, dass Seine Hoheit, Prinz Wilhelm, erscheinen und sich zwanglos zu uns gesellen wird. Hinterher sollten wir unsere alten Traditionen wieder aufnehmen und ins
Le Plaisir
gehen. Der Prinz«, Rendlinger senkte bedeutungsvoll seine Stimme, »wird uns begleiten.«
Während Fridolin überlegte, wie er sich diesem Vorhaben entziehen könnte, spürte er, wie sehr es ihn reizte, endlich einmal in Ruhe mit Hede reden zu können. Vielleicht vermochte diese ihm zu raten, wie er Lore wieder für sich gewinnen konnte.
Unterdessen hatte Grünfelder die Enttäuschung, nicht der Gastgeber der Siegesfeier sein zu können, überwunden. »Ich würde mich freuen, Hede Pfefferkorns Etablissement aufsuchen zu können. Eines sei aber gesagt. Dieses eine Mädchen, diese Lenka, ist für mich reserviert.«
Da wird Grünfelder eine herbe Enttäuschung erleben, dachte Fridolin ohne Schadenfreude. Lenka – oder Helene, wie sie sich jetzt nannte – hatte Berlin bereits vor Wochen verlassen und längst kanadischen Boden betreten. Zwar lag noch eine weite Reise vor ihr, bis ihr Bräutigam sie in British Columbia begrüßen konnte, doch Grünfelder würde sie niemals mehr wiedersehen.
Während die Gruppe zu den Wagen zurückkehrte, gesellte sich Emil Dohnke zu Fridolin. »Von Dohnke – das wird meinem Alten gefallen«, sagte er und strich zufrieden über seinen Schnurrbart.
»Meinen Glückwunsch! Damit hat diese Sache Ihnen also doch etwas gebracht.«
»Sie wirken nicht sonderlich zufrieden. Dabei haben Sie die höchste Belohnung von uns allen erhalten. Aber was glauben Sie, Herr von Trettin: Wäre ich als frisch geadelter Bankierssohn nicht eine passable Partie für Fräulein Wilhelmine Grünfelder?«
»Sie wollen die Tochter unseres Bankiers heiraten?«, rief Fridolin verblüfft.
»Mir ist dieser Gedanke eben gekommen. Das Mädel ist im Grunde nicht schlecht, und bei ihrer Mitgift wird mein Vater Hosianna schreien. Besser könnte ich es gar nicht treffen.«
Emil Dohnke klang so fröhlich, dass Fridolin sich fragte, ob er dessen bissige Bemerkungen über Wilhelmine Grünfelder nur geträumt hatte. Andererseits verstand er den jungen Mann. Das Bankhaus Grünfelder befand sich im Aufstieg, und da es nur diese eine Erbtochter gab, würde Dohnke durch eine
Weitere Kostenlose Bücher