Aprilgewitter
in die Turmstraße zu begleiten. Als Fridolin eintrat, saß sie neben Dorothea Simmern und erteilte dieser ein paar Ratschläge in Modefragen.
Nun blickte sie auf und sah Fridolin lächelnd an. »Soll ich nicht doch besser mitkommen? Immerhin hast du alle zusammengerufen, die einen gewissen Einfluss auf Lore ausüben könnten.«
»Fast möchte man vermuten, du hast Angst, deiner Frau allein gegenüberzutreten«, setzte Dorothea Simmern spöttisch hinzu.
Zu Fridolins Leidwesen war das die nackte Wahrheit. Er fürchtete sich tatsächlich davor, vor Lore zu stehen und von ihr abgewiesen zu werden. Er blies die Luft aus den Lungen und lächelte kläglich. »Nun, ich hoffe, sie wird uns nicht alle vor die Tür setzen.«
»Was du anscheinend fürchtest, sonst würdest du allein fahren. Du bist aber auch ein Schlimmer! Was musstest du dich ausgerechnet in einem verrufenen Haus aufhalten.« Dorothea gluckste, als sie Fridolins schuldbewusste Miene sah. Dabei konnte sie selbst nicht abschätzen, wie Lore sich wirklich verhalten würde.
Nun wandte sie sich wieder Mary zu und fasste nach deren Arm. »Meine Liebe, ich würde Sie gerne als Begleiterin bei uns wissen, doch ich glaube nicht, dass Sie um diese Zeit Gefallen an der Schweiz finden würden. Ich bitte Sie aber, mit mir im Sommer dorthin zu fahren – oder besser gesagt im Sommer nächsten Jahres. In ein paar Monaten wird mein lieber Gatte mich wohl nicht mehr reisen lassen.« Dabei legte sie mit glücklicher Miene die Hände auf ihren Bauch, der sich bereits ein wenig wölbte. Lore würde sich freuen, wenn sie sie in anderen Umständen sah. Da sie zudem wusste, wie sehr sich ihre Freundin nach einem eigenen Kind sehnte, hoffte sie ihr damit einen Grund aufzuzeigen, ihrem Ehemann zu verzeihen.
Fridolin war zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt, um die Geste zu verstehen, doch Mary umarmte Dorothea Simmern strahlend, und auch Caroline reichte ihr herzlich die Hand. »Ich freue mich für Sie, Frau Simmern. Lore hat mir so viel von Ihnen erzählt, dass ich Sie nur bewundern kann.«
»Lore hat mir ebenfalls von Ihnen geschrieben, Fräulein Caroline. Auch wenn der Tod Ihrer Mutter bereits etliche Monate zurückliegt, will ich Ihnen mein Beileid aussprechen und meine Bewunderung, weil Sie all die Schicksalsschläge so tapfer gemeistert haben.« Dorothea drückte Caroline an sich und strich ihr über die Wange. »Sie sind mutig, mein Kind, so ganz allein nach Amerika auswandern zu wollen.«
Caroline errötete. »Ganz allein werde ich nicht sein, Frau Simmern. Ich werde mich in der Schweiz mit Herrn Hilgemann treffen und ihn heiraten, so seine Neigung zu mir ausreicht. Wenn er sein Studium abgeschlossen hat, werden wir nach Genua reisen und dort ein Schiff in die Neue Welt nehmen.« Bei dem Gedanken, die Heimat für immer verlassen zu müssen, entfuhr ihr ein Seufzer. Dann jedoch erinnerte sie sich an den warmen Blick, mit dem Gregor sich bei seiner Abreise von ihr verabschiedet hatte. Seitdem hatte er ihr jede Woche mindestens einen Brief geschrieben und dabei seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, in Amerika zusammen mit ihr ein neues Leben beginnen zu können.
Fridolin zappelte vor Ungeduld. »Wir sollten aufbrechen, sonst verpassen wir noch den Zug!«
Dorothea warf ihrem Mann, der in ein Gespräch mit Konrad vertieft war, einen amüsierten Blick zu, der in etwa aussagte, dass Männer wohl alle gleich seien, und stand auf. »Dann wollen wir Sie nicht länger warten lassen, Fridolin. Thomas, klingelst du nach dem Diener, damit er zwei oder noch besser drei Droschken besorgt? Wir brauchen Platz für unser Gepäck!«
Bei diesen Worten sah Caroline schuldbewusst auf die fünf großen Koffer, die Nele für sie gepackt hatte. Vieles von dem, was in ihnen steckte, stammte von Lore und Mary, den Rest hatte sie selbst genäht. Der Gedanke an die beiden Freundinnen, die ihr so selbstlos geholfen hatten, würde ihr die Heimat, von der sie nun scheiden musste, im Rückblick angenehmer erscheinen lassen. Es erleichterte sie, dass sie nicht nur mit bitteren Gedanken nach Amerika reisen würde. Voraussetzung dafür war aber auch, dass Lore und Fridolin sich versöhnten.
Unterdessen hatte Thomas nach Jean geläutet und diesem befohlen, die Droschken zu besorgen und das Gepäck hinauszubringen. Anders als früher beeilte sich der Diener, seinen Auftrag zu erfüllen, und Nele half ihm nach Kräften. In einem gräflichen Haushalt hatten beide noch nicht gearbeitet, und
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