Aprilgewitter
jemandem.
Mit diesem Gedanken verließ er die Feier, die Grünfelder zur Hochzeit seiner Tochter ausgerichtet hatte, und winkte auf der Straße eine Droschke herbei.
Als er kurz darauf zu Hause eintraf, fand er dort trotz der späten Stunde einen Gast vor. Es handelte sich um Krysztof Kowalczyk, seinen Wachtmeister bei den Ulanen. Gewöhnlich trug der Mann eine heitere Miene zur Schau, doch jetzt sah er so bedrückt aus, dass Fridolin das Schlimmste befürchtete.
»Ist etwas geschehen, Kowalczyk?«
Der Wachtmeister schüttelte den Kopf. »Nein, Herr Leutnant, nichts Wichtiges, aber …« Er brach ab und seufzte tief. »Wenn Herr Leutnant erlauben, sprechen zu dürfen. Habe heute erfahren, dass ich im Sommer geschickt werde in Pension! Dabei ich weiß nicht, wohin. Keine Familie, keine Frau. Wenn der Herr Leutnant, wenn er ist Hauptmann der Reserve, einen Diener brauchen könnte …«
Viel Hoffnung schien Kowalczyk nicht zu haben. Fridolin erinnerte sich jedoch an seine Kinderjahre, in denen der Wachtmeister noch der Bursche seines Vaters gewesen war, und auch daran, wie sehr dieser ihn bei den Ulanen unterstützt hatte. Daher reichte er ihm lächelnd die Hand.
»Ich würde mich freuen, wenn Sie nach Ihrem aktiven Dienst zu mir kommen würden, Herr Kowalczyk. Einen besseren Kammerdiener als Sie kann ich mir nicht wünschen.«
Im Vergleich zu Jean war der Wachtmeister auf jeden Fall ein Gewinn, fuhr es Fridolin durch den Kopf. Außerdem mochte er den Mann, für den der Abschied aus der Armee, mit der er sozusagen verheiratet gewesen war, ein herber Schlag sein musste.
Kowalczyks Miene hellte sich sofort auf, und er salutierte. »Wenn Herr Leutnant erlauben, danke ich recht schön. Jetzt ist mir gefallen ein Stein vom Herzen, groß wie der Mond!«
»Zur Einstimmung auf Ihren Dienst bei mir können Sie uns zwei Cognacs einschenken, Kowalczyk. Denn darauf sollten wir trinken.«
»Wenn Herr Leutnant darauf bestehen, sehr gerne!« Kowalczyk nahm die auf der Anrichte stehende Cognac-Karaffe und goss ein gewöhnliches Schnapsglas voll. Noch während Fridolin sich sagte, dass er seinem neuen Kammerdiener wohl noch ein paar Dinge beibringen musste, füllte der Wachtmeister einen Cognacschwenker, reichte ihn Fridolin und schlug die Hacken zusammen. »Wenn Herr Leutnant verzeihen, ist einfaches Glas besser für mich.«
Auf den Mund gefallen ist er jedenfalls nicht, sagte Fridolin sich und stieß mit Kowalczyk an.
»Auf Ihr Wohl!« Während er langsam und mit Genuss trank, fühlte er sich besser als all die Wochen vorher und hegte die vorsichtige Hoffnung, dass dies auch so bleiben würde.
III.
F ridolin nahm Haltung an, als von Scholten ihm endlich das ersehnte Papier in die Hand drückte. »Ich danke Ihnen, Herr Oberst«, sagte er, obwohl er seinen Vorgesetzten am liebsten erwürgt hätte. Schließlich hatte von Scholten ihm bis zu diesem Tag jeglichen Urlaub verweigert.
Zuerst hatte der Oberst dies mit dem Mangel an Offizieren begründet, danach damit, dass die Neuen sich erst im Regiment zurechtfinden müssten. Nun war von Scholten endlich bereit, ihm zwei freie Wochen am Stück zu gewähren. Wenn er zurückkam, musste er noch zweieinhalb Monate dienen und konnte anschließend das Militär als Reserveoffizier verlassen.
»Wünsche Ihnen eine gute Zeit! Gerade richtig, um Auerhähne zu jagen«, erklärte der Oberst.
Fridolin legte keinen Wert darauf, ihm mitzuteilen, dass die Auerhähne ihn während dieser zwei Wochen gewiss nicht zu fürchten brauchten.
»Ich bitte Herrn Oberst, abtreten zu dürfen«, sagte er stattdessen und machte nach einem militärischen Gruß kehrt, nachdem von Scholten sein Einverständnis erklärt hatte. Am Tor der Kaserne erwartete ihn Wachtmeister Kowalczyk. Dieser trug zwar noch Uniform, hatte aber seine Aufgaben bereits an seinen Nachfolger übergeben, um Fridolin auf seiner Reise zu begleiten. Danach würde der Mann nicht mehr in die Kaserne zurückkehren, sondern gleich in der Turmstraße bleiben.
»Na, Kowalczyk, haben Sie noch keinen Zivilanzug gefunden?«, fragte Fridolin gut gelaunt.
Der Wachtmeister verzog das Gesicht, als hätte er etwas Unmoralisches verlangt. »Bitte Herrn Leutnant sagen zu dürfen, noch ich bin Soldat!«
»Ich auch! Trotzdem werde ich diesen Rock heute noch ausziehen und mich als Zivilist auf den Weg machen. Sie sollten das auch tun, sonst muss ich Sie in Berlin zurücklassen.«
»Wenn Herr Leutnant erlauben, habe mir bereits Hose und Rock bei
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