Aprilgewitter
musterte die Frau, die anders als die übrigen Mädchen eine missmutige Miene zur Schau trug. Es waren zwar fünf Jahre vergangen, seit er das ehemalige Dienstmädchen seines Onkels das letzte Mal gesehen hatte, doch nun erkannte er sie. Elsie hatte Lores Gepäck und Reisegeld gestohlen und sie mittellos auf dem Ozeandampfer zurückgelassen. Dieses Weib hier in einem teuren Bordell wiederzusehen wunderte ihn. Nun, es war wohl die gerechte Strafe des Himmels, dass sie offensichtlich für die Befriedigung der perverseren Gelüste zuständig und nicht sonderlich angesehen war. Doch was geht mich ihr Schicksal an, dachte Fridolin und wandte sich mit einem Achselzucken ab.
Elsie hatte Fridolin bei dessen erstem Besuch im
Le Plaisir
nicht erkannt, aber mittlerweile erfahren, wer er war. Sie verging innerlich vor Hass auf den Mann, dem sie ebenfalls die Schuld an ihrem Schicksal gab. Ohne ihn und Lore wäre sie jetzt Zimmermädchen oder gar Zofe im Palais Retzmann in Bremen und müsste sich nicht von rücksichtslosen Freiern wie diesem Leutnant misshandeln lassen. Auch heute würden wieder etliche blaue Flecke hinzukommen, dabei war ihre Haut jetzt schon so scheckig wie das Fell eines Apfelschimmels.
Fridolin hatte inzwischen Hede entdeckt und trat auf sie zu. »Guten Abend, meine Liebe. Hast du einen Augenblick für mich Zeit?«
»Wenn du das öfter machst, zerstörst du meinen Ruf! Meine Gäste werden denken, dass wir etwas anderes tun, als nur zu reden. Aber auf einen Cognac kannst du gern in mein Büro kommen.«
Hedes Lächeln nahm ihren Worten die Schärfe. Sie mochte Fridolin und hätte auch nichts dagegen gehabt, sich mit ihm im Bett zu tummeln. Dazu auffordern wollte sie ihn jedoch nicht. Immerhin war er verheiratet und hatte strengere moralische Grundsätze als Rendlinger, der seit Jahren ihr Bordell aufsuchte und sich nicht im Geringsten darum scherte, dass er verheiratet war.
Sie führte Fridolin in ihr Büro, schloss die Tür und schenkte zwei Cognacs ein. »Auf dein Wohl, Fridolin, und auch auf deinen Aufstieg zum Bankdirektor!«
»Zum Vizedirektor! Der Direktor selbst ist Grünfelder.«
»So oder so ist es eine steile Karriere für einen jungen Burschen, der sich nicht einmal einen Knecht leisten konnte, der ihm die Stiefel putzt!« So ganz wusste Hede noch nicht, ob Fridolin noch derselbe war, den sie vor Jahren gekannt hatte, oder ob er sich von einem fröhlichen Saulus zu einem sauertöpfischen Paulus gewandelt hatte. Etwas beklommen stellte sie ihm daher die Frage, die ihr auf dem Herzen lag. »Wie steht es? Kannst du mein Geld sicher anlegen?«
»So sicher, wie es eben möglich ist. Ich will mich an Grünfelders Bank beteiligen. Dafür brauche ich eine größere Summe, die ich alleine nicht aufbringen kann. Mit deinem und meinem Geld zusammen aber wäre ich dazu in der Lage. Wir beide schließen einen hieb- und stichfesten Vertrag, und du bist an allen Gewinnen des Bankhauses Grünfelder zu einem gewissen Prozentsatz beteiligt.«
»Dann will ich hoffen, dass es auch weiterhin Gewinne macht«, stieß Hede verblüfft aus.
»Ich werde mein Bestes tun. Seit ich bei der Bank bin, hat sich der Gewinn um ein Drittel erhöht. Zwar will ich diesen Verdienst nicht alleine an meine Fahnen heften, doch ich glaube, ich kann gut mit Geld umgehen.«
»Auch mit deinem eigenen? Früher konntest du das nämlich nicht.«
Fridolin lachte leise auf. »Damals hatte ich kaum einen Pfennig in der Tasche. Meine Einnahmen haben gerade für ein billiges Zimmer, billiges Essen und einen billigen Schneider gereicht. Wie hätte ich unter den damaligen Umständen etwas ansparen oder gar mein Geld vermehren sollen?«
»Das weiß ich nicht. Aber diese Geldsachen sollten wir zu einem günstigeren Zeitpunkt besprechen. Am Abend ist hier einfach zu viel los. Komm doch bitte am Sonntagvormittag vorbei. Dann herrscht hier eine himmlische Ruhe, und wir können uns so lange unterhalten, wie wir Lust haben.« Die letzte Bemerkung klang selbst in Hedes Ohren zweideutig, doch Fridolin dachte nur an das Geld und hatte die halbe Einladung in ihr Bett nicht einmal wahrgenommen.
Darüber ärgerte Hede sich, doch im nächsten Moment schalt sie sich. Fridolin war für sie als guter Freund wertvoller denn als Liebhaber.
»Ich werde am Sonntag nach dem Gottesdienst kommen. Ist dir elf Uhr recht?«, antwortete Fridolin.
»Natürlich! Also nächsten Sonntag um elf. Nun sollten wir zurück in den Salon gehen. Zupfe nicht an deiner Kleidung,
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