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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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und das wollte sie unter allen Umständen verhindern.
    »Wenn Frau von Trettin die Einladung aufrechterhält, will ich sie nicht enttäuschen!« Caroline senkte den Kopf, denn sie schämte sich, weil sie das Gefühl hatte, mehr ihren eigenen Wünschen nachzugeben, als das Los ihrer Mutter durch ihrer Hände Arbeit zu erleichtern. Dann aber sagte sie sich, dass sie am Abend beim Licht der Gaslaterne nähen konnte, und begann sich auf den Ausflug zu freuen.
    Lore erschien kurz nach ihr in einem hübschen Landauer, den sie statt einer einfachen Droschke gemietet hatte. Dieser Wagentyp war bequemer, und man konnte von ihm aus mehr sehen. »Da wäre ich«, sagte sie anstelle eines Grußes und blitzte Caroline unternehmungslustig an. »Ich hoffe, Sie kommen mit. Allein auszufahren empfinde ich als langweilig.«
    »Ich begleite Sie gerne, Frau von Trettin!«
    »Finden Sie nicht, dass wir diese Förmlichkeiten langsam lassen könnten? Wenn Sie nichts dagegen haben, könnten wir uns auch mit den Vornamen anreden, wie es unter guten Freundinnen üblich ist!«
    Lore streckte ihr beide Hände entgegen. »Dann ist es beschlossen, Caroline!«
    »Nennen Sie mich Caro, liebste Lore!« Caroline ergriff Lores Hände, umarmte sie und küsste sie auf beide Wangen. Dabei traten ihr die Tränen in die Augen, denn seit dem Verlust ihres väterlichen Gutes hatte sie niemanden mehr Freundin genannt. Nun freute Caroline sich beinahe noch mehr auf die Fahrt im Landauer durch Berlin als Lore. Damit würde sie den Leuten zeigen, dass es noch immer Menschen gab, die zu ihr hielten.
    Da ihr Kleid nicht der neuesten Mode entsprach, lieh Mary ihr eines ihrer eigenen, das mit ein paar Stichen passend gemacht wurde. Um die Damen nicht ohne männlichen Schutz fahren zu lassen, erbot Gregor Hilgemann sich, sie in der Verkleidung eines Lakaien zu begleiten. »Sie würden mir damit einen großen Gefallen tun, denn seit der Sache mit dem Professor wage ich mich nur selten unter Menschen. Doch einem Domestiken werden die Schutzleute wohl kaum einen zweiten Blick schenken.«
    Caroline sah ihn erschrocken an. »Ich möchte nicht, dass Sie sich meinetwegen in Gefahr begeben!«
    »Ich gerate eher in Gefahr, wenn ich mich hier noch länger vergrabe und dann, wenn ich es nicht mehr aushalte, in meiner eigenen Kleidung aus dem Haus gehe.« Gregor klang drängend, und da Konrad und Mary mit ihm einer Meinung waren, ließen sich Lore und Caroline schließlich überreden.
    »Sie werden die Tracht eines Lakaien nicht nur zum Spaß tragen, mein Lieber, denn Sie müssen uns all das besorgen, was wir uns wünschen, und uns unsere Einkäufe hinterhertragen«, drohte Lore ihm an, erntete aber bei allen nur Gelächter.

XVII.
    S ie begannen ihre Ausfahrt mit einem Abstecher in den Tiergarten und rollten gemütlich die Wege entlang. Lore schien es, als habe sich halb Berlin hier versammelt, denn sie sah unzählige offene Wagen, in denen Damen ausfuhren, und noch mehr Reiter, meist Offiziere, die es darauf anlegten, jedermann zu beweisen, wie gut sie zu Pferd saßen. Dabei nahmen sie nur wenig Rücksicht auf die Herren in Zivil, die ebenfalls hier ihre Pferde bewegten, sondern drängten diese ab und lachten über die vorwurfsvollen Blicke, die ihnen zugeworfen wurden.
    Steckten bereits die Damen in eleganten und farbenfrohen Kleidern, so wurden diese von den Offizieren in ihren leuchtenden Uniformen noch übertroffen. Husaren trabten in pelzbesetzten Dolmanen an Lores Landauer vorbei, an anderer Stelle tauchten Dragoner in blauen und Gardekürassiere in weißen Uniformjacken auf, und ihre prachtvollen Tressen, Aufschläge und Epauletten schimmerten in der Sonne.
    Für Augenblicke verfiel auch Lore dem Glanz der Uniformen, und sie begann zu begreifen, weshalb Fridolin darauf versessen war, zum Militär zu gehen. Der stolze Anblick erlitt jedoch einen herben Schlag, als ein Ulanenleutnant den Querweg herangaloppierte und das Gespann, das vor ihnen fuhr, zu einem abrupten Halt zwang, um nicht mit dem Reiter zusammenzustoßen.
    »So ein Lümmel!«, entfuhr es Lore, während Caroline puterrot anlief. Diese hatte ihren Bruder erkannt und schämte sich für dessen Rücksichtslosigkeit. Eine der Damen in dem betroffenen Wagen, ihrer Kleidung nach eine Bürgersfrau, beschimpfte Friedrich von Trepkow, erntete jedoch nur ein höhnisches Lachen.
    Der Leutnant drehte sich zu seinem Begleiter von Campe um und streckte in einer fordernden Geste die Hand aus. »Die Flasche Wein gehört mir!

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