Aprilgewitter
Ich habe den Hauptweg vor diesem Wagen gequert!«
Im nächsten Moment entdeckte er seine Schwester und zog verwundert die Augenbrauen hoch. Ihm gegenüber hatte Caroline immer so getan, als habe sie keine Bekannten in Berlin, die noch Kontakt mit ihr halten wollten. Außerdem trug sie ein neues, wenn auch für eine Edeldame arg schlichtes Kleid.
»Und die will auch noch Geld für Miete haben! Soll sich gefälligst selbst einschränken«, murmelte er giftig, lenkte seinen Rappen aber auf den Landauer zu und neigte grüßend den Kopf. Dabei ging es ihm weniger um Caroline als um deren Begleiterin, eine elegante Schönheit, die auf jedem Ball Aufsehen erregen würde.
»Willst du mich nicht vorstellen, liebste Schwester?«, sprach er Caroline an.
Diese schluckte und sah dann Lore an. »Mein Bruder Friedrich von Trepkow, Leutnant beim Zweiten Garde-Ulanen-Regiment, und Rittmeister Hasso von Campe, ebenfalls Zweite Garde-Ulanen.«
Von Trepkows Begleiter war inzwischen herangekommen und berührte seinen Helm mit zwei Fingern. »Angenehm! Bin entzückt«, näselte er in dem Bestreben, Eindruck auf die beiden Damen zu machen.
Caroline nickte nur kurz, denn von Campe hatte ihr, bevor die Schieflage des väterlichen Besitzes bekannt geworden war, für einige Wochen den Hof gemacht, sich dann aber umgehend zurückgezogen. Mit einer eher unbewussten Geste zeigte sie auf Lore, die die beiden Herren kritisch musterte.
»Dies hier ist Freifrau Lore von Trettin, die Enkelin des Freiherrn Wolfhard Nikolaus von Trettin auf Trettin und Gemahlin des Freiherrn Fridolin von Trettin.«
Die beiden Herren riss es beinahe vom Pferd. Verblüfft sahen sie Lore und dann einander an. Das sollte die angebliche Schneiderin sein, mit der Fridolin verheiratet war?
»Sehr erfreut«, brachte von Campe nur mühsam hervor, denn ihm quoll der Neid aus jeder Pore. Wie kam dieser lumpige Zivilist zu so einer schönen Frau?
»Danke, das Vergnügen ist ganz meinerseits!« Lore antwortete freundlich, obwohl ihr die beiden Offiziere nicht besonders zusagten. Doch so wie diese Männer war nun einmal Berlin und wohl auch das neue Reich, das Bismarck mit Blut und Eisen zusammengeschmiedet hatte.
»Bedauere, Gnädigste noch nicht kennengelernt zu haben«, erklärte der Rittmeister und sagte sich, dass er Juliane Grünfelder unbedingt dazu bewegen musste, Trettins Frau zu ihrer nächsten Festlichkeit einzuladen. Auch wenn er sich eine Heirat mit Grünfelders Erbtochter wünschte, war er einem netten, kleinen Flirt mit einer aparten Frau nicht abgeneigt, und Lore von Trettin war ein verdammt appetitlicher Bissen.
Das sagte er, als sie weiterritten, auch zu seinem Begleiter. Carolines Bruder nickte, drehte sich noch einmal um und starrte
hinter dem Landauer her.
»Die Trettin ist kolossal, Campe. Würde meine Nächte lieber mit ihr verbringen als mit Hede Pfefferkorns Prachtstück Lenka!«
Hasso von Campe lächelte spöttisch, denn bis jetzt hatte sein Kamerad sich Lenka nicht leisten können, während er nach einem Spielgewinn schon einmal eine Nacht mit der schönen Hure verbracht hatte. Doch auch er musste zugeben, dass Lore von Trettin Lenka in nichts nachstand.
»Wäre einen Versuch wert«, sprach er seine heimlichen Gedanken unwillkürlich laut und deutlich aus.
»Da wirst du hinter mir zurückstehen müssen. Wird mir eine Freude sein, diesem elenden Trettin kolossale Hörner aufzusetzen. So ein tolles Weib hat dieser Bleistiftspitzer doch gar nicht verdient, selbst wenn die Frau nur eine schlichte Schneiderin ist. Wäre gespannt zu erfahren, was sie bei unserem Freund Bankkommis wirklich genäht hat!«
»Die und Schneiderin? Dummes Gerücht!«, widersprach von Campe. »Ist tatsächlich die Enkelin des alten Trettin auf Trettin. Dessen Gut musste als Fideikommiss an seinen Neffen Ottokar fallen. Also hat der Alte eine immense Summe aus seiner Scholle gepresst und seiner Enkelin vererbt. Fridolin von Trettin war ebenfalls sein Neffe. Arm wie eine Kirchenmaus! Hat unerfahrene Provinzler im Spiel ausgenommen und sie in die Sündentempel Berlins geführt. Nach dem Tod des Alten hat er sich das Mädel geschnappt und sich mit ihrem Geld in Grünfelders Bank eingekauft.«
»Wer erzählt dann, sie wäre Flickschneiderin gewesen?«, fragte von Trepkow verwirrt.
Sein Begleiter antwortete mit einem Lachen. »Ottokar von Trettins Witwe! Der musste das mit Schulden behaftete Gut übernehmen. Trauerte dabei all den schönen Talern nach, die an seine Nichte
Weitere Kostenlose Bücher