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Aqua

Aqua

Titel: Aqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martini
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anschauen.«
    Wieder ergriff Kessler von der Rechtsanwaltskammer das Wort. »Die Begründung ist mir doch ein wenig zu fadenscheinig, dass ich da ohne Weiteres zustimmen könnte.«
    »Herr Bröding ist, soviel mir bekannt ist, kein Strafverteidiger«, hielt ihm der Staatsanwalt entgegen.
    »Sie kennen § 160 a der StPO?«, fragte der Rechtsanwalt.
    »Die Gleichstellung aller Rechtsanwälte mit dem Strafverteidiger ist mir bekannt.«
    Staatsanwalt Roths Stimme nahm einen kühlen amtlichen Ton an. »Ich habe Sie hergebeten, damit …«
    »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, ich möchte selbstverständlich, dass dieses Verbrechen so schnell wie möglich aufgeklärt wird, aber ich kann nur unter Vorbehalt der Beschlagnahme des Rechners zustimmen.«
    »Was wollen Sie mir damit sagen?«, Roths Ton wurde noch kühler.
    »Lieber Herr Kollege, ich denke, ich habe mich klar ausgedrückt. Die Untersuchung des Rechners sollte nur mit äußerster Diskretion und mit viel Fingerspitzengefühl erfolgen. Die Auswertung der Daten könnte sensible Individualinteressen von Mandanten berühren, die mit dem Fall in keinem Zusammenhang stehen. Wenn Sie Ihre sonstigen Untersuchungen beendet haben, denen ich weiter beiwohnen werde, sollte die Kanzlei versiegelt werden.«
    »Das werden wir berücksichtigen.«
    »Der Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Mandant und Rechtsanwalt liegt im Übrigen auch im Interesse der Allgemeinheit. Muss ich Ihnen die Konsequenzen schildern, die sich daraus ergeben, wenn sich die Anwaltskammer zu Dienstaufsichtsbeschwerden gezwungen sähe?« Kesslers Augen fixierten den Staatsanwalt. »Auch für Sie persönlich. Aber ich denke, diese Konsequenzen sind nur hypothetischer Natur.«
    Spätestens jetzt wurde Walde klar, dass der Anwalt noch eine alte Rechnung mit Roth offen haben musste und nun die Gelegenheit sah, es ihm heimzuzahlen.
    In dem weiß gekachelten Kellerflur der Gerichtsmedizin hörte Walde nur das Quietschen seiner Schuhsohlen. Alle Türen waren geschlossen. Als er die Schiebetür zum Sektionssaal öffnete, sah er Gottfried, den Assistenten von Dr. Hoffmann, der sich zu ihm umdrehte. Die Fassung seiner neuen Brille hatte das gleiche Grün wie sein Kittel. Die dicken Gläser verliehen seinen Augen Dimensionen wie durch ein Vergrößerungsglas, wie es schon bei der alten Hornbrille der Fall gewesen war. Hinter ihm lag eine männliche Person bäuchlings auf dem Seziertisch. Als Gottfried den Blick auf den Kopf des Toten freigab, konnte Walde den Reflex nicht vermeiden, ein laut vernehmbares »Oh!« auszustoßen. Dem Toten fehlte am Hinterkopf ein Teil seines Schädels. Aber dies löste nicht die Irritation aus, es was vielmehr das, was sich nicht darunter befand. Der Schädel schien hohl zu sein.
    »Sie waren wohl noch nie im Schlachthof?« Die Stimme kam aus der kleinen Büroecke neben der Tür, wo Dr. Hoffmann sich von einem runden Schemel erhob. Unter dem blütenweißen Kittel trug er ein hellblaues Hemd und eine dunkle Krawatte.
    »Warum?« Walde reichte ihm die Hand.
    »Ich will Ihnen ja nicht den Appetit auf Fleisch nehmen. Aber das, was unserem Opfer widerfahren ist, erleiden täglich tausende von Tieren.«
    »Mit einem Schussapparat?«
    »Genau, ich hatte schon mal einen Fall von suizidaler Schussbeibringung mit einem Bolzenschussgerät.«
    »Sie meinen, jemand hat sich das Gerät selbst ans Genick gesetzt.«
    »Es handelte sich um einen erfahrenen Metzger, soweit erinnere ich mich wieder.« Hoffmann trat an den Seziertisch und wies auf die Kopfruine. »Im aktuellen Fall ist eindeutig von einer Fremdeinwirkung auszugehen. Der Bolzen hat den hinteren Bogen des zweiten Halswirbels rechtsseitig durchsetzt und zu Verletzungen des Gehirns geführt, der Hirnstamm blieb verschont.«
    »Bröding war nicht sofort tot?«
    »Erst das zentrale Regulationsversagen beim Bluteinbruch in das Hirnkammersystem hat zum Tode geführt, neben weiteren ausgedehnten subduralen Blutungen.«
    »Wie lange hat er noch gelebt?«
    »Schwer zu sagen. Ein paar Minuten vielleicht, zwar bewegungsunfähig, aber noch zum Denken und vielleicht auch zum Sehen fähig, falls er nicht das Bewusstsein verloren hat.«
    Walde atmete hörbar aus.
    »Das meiste von dem, was hier fehlt, geht auf unsere Untersuchungen zurück. Die Schusslokalisation liegt im Nacken. Das Projektil vom Kaliber 9 mm kommt im Schlachthof bei Kühen, Pferden und leichten Ochsen zum Einsatz.«
    »Und wo ist der Schuss ausgetreten?«, fragte Grabbe,

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