Aqua
des auf bestialische Weise ermordeten Anwalts und Politikers durchgeführt hatte.
Sonntag
Silvana war sauer. Es waren so viele Vorhaltungen, die sie ihrer Freundin Eva machen wollte, dass sie gar nicht mehr wusste, wo sie anfangen sollte. Die kurze Fahrt zu Eva nach Hause hätte sowieso nicht ausgereicht, um all das loszuwerden, was ihr durch den Kopf ging. Aber darauf konnte sich diese blöde Tussi verlassen: Die letzte Nacht war nicht vergessen. Es reichte ihr, das Maß war voll, nein, es lief über. Mindestens so, wie es nebenan die braunen Fluten der Mosel taten, die der Straße bedrohlich nahe kamen. Eva schien bemerkt zu haben, was in der Luft lag, denn sie saß still neben ihr. Ab und zu versuchte sie, ihren viel zu kurzen Rock ein paar Zentimeter in Richtung Knie zu ziehen. Die Sonnenblende hatte sie heruntergeklappt, obwohl der Regen aus tief hängenden dunklen Wolken auf das Stoffverdeck prasselte.
Links floss ockerfarbener Schlamm über die Weinbergsmauer, rechts war der über die Uferböschung bis zur Straße reichende Fluss kaum langsamer unterwegs als das kleine blaue Coupé, mit dem ihr Vater sie dafür belohnt hatte, dass sie sich um das Amt der Weinkönigin beworben hatte. Es hatte nur zur Weinprinzessin gereicht, was aber nicht hieß, dass sie in zwei Jahren nicht doch noch Silvana I. wurde. Dann konnte ihr Vater auch seinen zu früh etikettierten Krönungswein loswerden. Einen Silvaner mit goldenem Etikett.
Sie schaltete in den zweiten Gang zurück, weil an manchen Stellen zentimeterdicker Schlamm den Asphalt bedeckte. Sie musste das Geräusch ertragen, wenn die Reifen die widerliche Pampe gegen das Auto schleuderten.
Als Silvana wegen des Wasserfilms auf der Straße weiter Gas zurücknahm und der Wagen eine Welle bis an die Mauer trieb, war ihr erster Gedanke, dass nun der Dreck vom Wagen abgespült wurde. Es war etwas gewöhnungsbedürftig, dass die Wasserfläche auf der Straße sich mit der auf der Uferwiese zu einer Ebene vereinigt hatte, die über den Fluss bis hinüber zum Ufer auf der anderen Seite reichte. Sie blickte in diese Richtung und stellte fest, dass der Fluss auf der anderen Seite ebenfalls die Wiesen überspült hatte und bis zur Kirche des Ortes zu reichen schien. Der Wagen wurde noch langsamer.
»Sollen wir nicht …« Eva war aus ihrer Agonie erwacht.
»Was?« Das laute Wort schleuderte Silvanas Gefühle heraus.
Evas Hände wanderten von ihren Beinen zu dem Sitz, den sie links und rechts umklammerte. »Zurückfahren.« Ihre Stimme war leiser als die Musik aus dem Autoradio und das Platschen des Regens auf die Frontscheibe und das Dach des Wagens.
»Du wolltest doch gefahren werden. Ich hätte heute liebend gerne mal ausgeschlafen.« Silvana erhöhte leicht den Druck auf das Gaspedal. Der Motor schnurrte ohne zu mucken. In dem kleinen Sportwagen saßen sie so tief wie im Beiwagen eines Motorrades. Das ließ die Überschwemmung optisch spektakulärer erscheinen. Wenn eine Gefahr bestünde, wäre die Straße längst gesperrt worden.
Gestern Abend war Silvana seit langem mal wieder mit Eva zu einem gemütlichen Mädchenabend, wie sie solche Treffen früher nannten, verabredet gewesen. Silvana hatte Knabberzeug und DVDs besorgt und natürlich wollten sie ausführlich quatschen. Schon um zehn wollte Eva lieber in die Disko des Moselbeachs, einem Schuppen, in dem die Touristen verkehrten, die über das Wochenende in der Hotelanlage am Ortsrand wohnten. Meist waren es Vereine und Clubs aus Nordrhein-Westfalen, die sich von dem Partyangebot all-inclusive locken ließen, zu dem auch der Moselwein bis zum Abwinken gehörte. Eva war bald außer Rand und Band gewesen. Irgendein alter Bock mit feisten Grinsebäckchen hatte es ihr angetan. Silvana war irgendwann allein nach Hause gefahren mit der Gewissheit, dass ihre Freundin sie nur wieder als Alibi für zu Hause benutzt hatte. Erst vorhin war Eva wieder aufgetaucht und wollte dringend nach Hause gebracht werden.
Silvana wurde bewusst, dass sie sich am meisten über sich selbst ärgerte. Sie war mal wieder so blöd gewesen, sich von Eva manipulieren zu lassen. Und nun gerieten sie auch noch in diesen Schlamassel.
Mittlerweile ließen die Räder das Wasser nicht mehr hochspritzen, weil sie überspült waren. Die braune Brühe reichte bereits bis zur Mitte der Türen und schwappte vorne am Kühler hoch. Links kam eine Treppe in der Weinbergsmauer in Sicht. Silvana überlegte, ob sie dort anhalten sollte. Aussteigen würde
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