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gebrochen. Hätte ich eine Nottötung durchgeführt, also eine Spritze gesetzt, hätte das noch zusätzliches Geld gekostet.«
»Und bei einer Notschlachtung kann das Fleisch noch verwendet werden?«
Der Tierarzt nickte. »Das Tier war ja nicht krank, zumindest nicht in dem Sinne, dass das Fleisch nicht mehr hätte in den Handel kommen dürfen.«
»Einen Moment bitte.« Sie waren im Flur vor dem Büro von Gabi und Grabbe angekommen.
Walde ging hinein und ließ die Tür hinter sich offen. »Dr. Rupprath hat dieses Bolzenschussgerät gebracht.«
Grabbe nahm die Tüte entgegen und legte sie, ohne hineinzusehen, auf seinen Schreibtisch. »Ich bringe es nachher zur KTU«, sagte er. »Übrigens, Burkhard hat zurückgerufen. Er konnte für morgen früh einen Flug buchen. Und dein Freund Joachim Ganz hat wieder um Rückruf gebeten. Ein Zettel mit der Nummer, falls du sie nicht zur Hand hast, liegt auf deinem Schreibtisch.«
Sobald das Protokoll gefertigt und der Tierarzt gegangen war, rief Walde zu Hause an.
Annika meldete sich und berichtete ihm, dass sie wieder gesund sei und am Montag in die Schule gehen könne. Noch bevor er ihr von seinem Besuch auf dem Bauernhof erzählen konnte, gab sie das Telefon an ihre kleine Schwester Mathilda weiter. Nachdem er ihr mehrere Minuten beim Schmatzen zugehört hatte, das Abendessen schien ihr zu schmecken, übernahm Doris das Telefon. Als Erstes fragte sie, ob er Jo zurückgerufen habe.
»Ich wollte erst wissen, ob du klarkommst.« Hinter ihm prasselte der Regen ans Fenster.
»Nach dem Essen gehen die Kinder schlafen. Marie wollte beiden was vorlesen, und wenn du nachher kommst, gehen wir vielleicht noch ein Stündchen aus.«
»Und Marie passt auf die Kinder …«
»Nein, Marie und ich gehen aus. Jo hat ihr Handy. Er wird in der Gerüchteküche sein.«
Bernd Hansen trug bereits die Einsatzkleidung der Freiwilligen Feuerwehr, als er im Gemeindehaus das Amtszimmer des Ortsbürgermeisters betrat. Er zog die schwarze Jacke mit den gelben Streifen aus. Darunter trug er eine schwer entflammbare Latzhose, Stiefel mit Stahlkappe und Knöchel- und Schienbeinschutz. Die Jacke hängte er über den zweiten Stuhl, auf dem schon sein Helm lag. Obwohl er bereits eine schmale Größe gewählt hatte, war ihm die Schutzkleidung nach dem Gewichtsverlust der letzten Monate zu weit geworden.
Hinter dem Schreibtisch saß der Ortsbürgermeister, ein junger Mann, der vor etlichen Jahren in Hansens Lehrwerkstatt zum Zerspannungstechniker ausgebildet worden war. Sein damaliger Lehrjunge war inzwischen Ingenieur mit einer guten Stelle in Luxemburg, hatte im Ort neu gebaut, eine Familie mit zwei Kindern und war zum Ortsbürgermeister gewählt worden. In Punkto Tüchtigkeit stand Hansen diesem Mann kaum nach.
Neben seinem Brotberuf betrieb Hansen eine Imkerei. Sein großes mobiles Bienenhaus mit knapp zwei Dutzend Völkern hatte im Sommer seinen Standort auf dem Hochplateau oberhalb des Moseltales. Als Hansen zu Ohren kam, dass dort ein Pumpspeicherkraftwerk gebaut werden sollte, wurde er einer der Gründungsmitglieder der Bürgerinitiative, die das Projekt verhindern wollte. Daneben war Hansen als Wehrführer der örtlichen Feuerwehr besonders um den Nachwuchs bemüht. Und bei der letzten Wahl hatte er für den Gemeinderat kandidiert und wurde prompt gewählt.
»Was kam raus?« Hansen setzte sich. Die FWG hatte sich heute Abend zu einer außerordentlichen Sitzung getroffen. Der einzige Tagesordnungspunkt war das FWG-Ortsgemeinderatsmitglied Hansen gewesen.
»Ich bin mit meinem Antrag, dich anzuhören, leider gescheitert.«
Hansen hatte sich vorgenommen, den Ortsbürgermeister und FWG-Vorsitzenden ausreden zu lassen. »Üblicherweise wird derjenige gehört, über den zu Gericht gesessen wird.«
»Wir hatten nicht über dich zu urteilen.«
»Was dann?«
»Du weißt, unter welchem Druck die FWG steht, seitdem …«
»Und was ist mit mir? Über mich wird doch kübelweise Dreck ausgekippt, nicht über euch!«, platzte es aus Hansen heraus. »Die Bürgerinitiative hat doch mit euch gar nix zu tun.«
»Das ist richtig, aber …«
»Ich bringe die Geschichte wieder in Ordnung. Wer nix macht, macht nix verkehrt.«
»Das weiß ich auch, aber …«
»Gebt mir drei Wochen Zeit, dann ist das geregelt und Gras über die Sache gewachsen.«
»Tut mir leid, die Entscheidung ist gefallen. Du wirst aus der FWG ausgeschlossen. Die Ortsgruppe geht zu dir auf Distanz. Du musst nun selbst entscheiden, ob du
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