Aqua
allerdings bedeuten, dass der Dreck in den Innenraum lief. Dann wären die Sitze und alles andere versaut. Dafür würde keine Versicherung aufkommen. Die Straße musste bald wieder ansteigen. War es nicht so? Früher waren sie hier oft mit den Fahrrädern gefahren. Dabei hatte man, anders als mit dem Auto, die leichten Steigungen noch gespürt.
Jetzt waren sie an der Treppe vorbei. Links ragte die hohe Mauer auf, rechts trennte sie nur die oberste der doppelten Leitplanken vom Fluss.
Eva starrte aus weit aufgerissenen Augen, beide Hände links und rechts in den Sitz gekrallt, durch die Frontscheibe, auf der die Scheibenwischer stehen geblieben waren. Wären es Minutenzeiger auf einer Uhr gewesen, hätten sie angezeigt, dass es zehn vor irgendwas war. Das Gedudel aus dem Radio war verstummt.
Schließlich setzte der Motor aus.
Walde hängte Mütze und Jacke in seinem Büro über den Besucherstuhl und rückte diesen nahe an die Heizung.
Gestern Abend hatte er den Schirm in der Gerüchteküche vergessen und auf dem Heimweg die Kapuze übergezogen. Es war seine einzige warme Jacke mit Kapuze und die war heute Morgen noch nass gewesen. Doris würde ihren Schirm für den Weg zum Kindergarten und zum Gassi gehen mit Quintus benötigen.
Walde hatte sich ins interne System eingeloggt und die wenigen Seiten, die sich mit Jos Sache beschäftigten, ausgedruckt, als Grabbe fast gleichzeitig mit dem Anklopfen zur Tür hereinkam.
»Hast du es schon gesehen?«
»Was?« Walde loggte sich schnell aus.
»Die Mail mit dem Link, die ich dir geschickt habe.«
Walde rief seine Mails ab. Grabbe hatte sie ihm kurz nach zwei Uhr heute Nacht geschickt. »Hast du überhaupt geschlafen? Warst du heute Nacht noch nach Hause?«
»Vier Stunden Schlaf müssen auch mal reichen.« Grabbe kam mit einem Besucherstuhl in der Hand um den Schreibtisch herum und nahm, den Blick zum Monitor gerichtet, auf der vorderen Kante Platz.
»Gestern Morgen … da ging es dir noch ziemlich mies …«
»Es handelte sich nur um ein Zwischentief.« Grabbe versuchte zu lächeln. »Danke der Nachfrage.« Dass er gestern seinem alten Therapeuten auf den Anrufbeantworter gesprochen hatte, behielt er für sich.
Walde öffnete im Mailanhang eine Worddatei, in der diverse Namen mit mehr oder weniger ausführlichen Anmerkungen versehen waren. »Hast du sie in Holtzers Rechner entdeckt?«
»Das wäre etwas zu einfach gewesen.« Grabbe grinste und richtete dabei den Oberkörper auf. »Außerdem, so blöd ist der Mann ja auch wieder nicht.«
»Scheint alphabetisch zu sein.« Walde ließ die Seiten so schnell ablaufen, dass nur die Namen zu lesen waren.
»So eine Art Negativpanorama von Who is Who von Leuten aus der lokalen Wirtschafts- und Politikszene, sogar der Bischof kommt vor. Da hat er einiges zusammengetragen, ob es nun falsche Anschuldigungen sind, ob es Klatsch oder die Wahrheit ist, weiß ich nicht. Aber wenn nur ein Bruchteil davon stimmt, ist das gewaltiger Zündstoff. Jedenfalls kann es nicht schaden, solche Infos zu besitzen.«
»Wo hast du das her?«
»Der Chefredakteur der Tageszeitung soll seine Hochzeit von diesem windigen Immobilienhai Stadtberg gesponsert bekommen haben. Natürlich bevor der fünf Jahre Knast wegen Konkursbetrug bekommen hat.« Grabbe ereiferte sich. »Unter den Dossiers ist das über Bröding am Umfangreichsten. Seine Frauengeschichten, eine Unfallflucht, sein Sohn Jakob soll übrigens adoptiert sein.«
»Ich werde es mir gleich ansehen. Wo hast du die Datei her?«, wiederholte Walde.
»Von einem Server in der Schweiz.«
»Alle Achtung, super!«
»Ein Zwischenhoch.« Der Enthusiasmus war aus Grabbes Stimme gewichen.
»Meine Bemerkung von gestern Morgen … es tut mir leid, ich war nicht ausgeschlafen«, Walde stand auf und wies zum Fenster, »… und das Wetter.«
»Das Dauertief?«
»Das auch noch …« Unten hielt ein Bentley Coupé. Ein Mann in olivfarbenem Regenmantel mit hochgeschlagenem Kragen und einem Hut à la Bogart stieg aus, ging auf die andere Seite und nahm eine schmale Ledermappe und einen Koffer heraus.
Während sich Walde noch fragte, ob der Rechtsanwalt Kleidung für Holtzer brachte, erkannte er, dass es sich um einen Picknickkorb aus hellbraunem Weidengeflecht handelte.
»Niko Haupenberg, Holtzers Retter, ist im Anmarsch.« Walde wandte sich zurück in den Raum und war überrascht, Polizeipräsident Stiermann zu sehen.
»Guten Morgen, allerseits.« Stiermann trat ans Fenster und schaute zur
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