Aqualove
und besonders deren Labore sind bei Stoffwechselkrankheiten immer wieder auf präzise genetische Informationen angewiesen. Bisher glich die Suche nach Auffälligkeiten der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Das Interessante an der Doppelhelix sind jedoch nicht die spezifischen sich wiederholenden, verschiedenen Eiweißsequenzen, sondern die Teile mit den sogenannten unspezifischen Informationen, die das eigentlich Besondere einer jeden DNA ausmachen. Bisher hatten sich alle nur mit der Erstsequenz beschäftigt. Meine Firma DNAssociated hat als Erste den Zweitcode isoliert und basierend auf einem Programm, das ich vor Jahren schon entwickelt hatte, die Informationen neu zusammengefasst.“
Wir hatten beide noch keinen Bissen unseres Essens angerührt. Glücklicherweise war meines ohnehin kalt.
„Dass die neue Software sich gut an Krankenhäuser verkaufte, verstehe ich, aber was war der Nutzen für Stadtverwaltungen?“
„Seit den Terroranschlägen von 2001 und 2015 ist den Regierungen klar geworden, dass wir zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung mehr Informationen über die Bürger brauchten. Was wusste man vorher schon über einen Staatsbürger? Den Aufenthaltsort? Wer keinen Führerschein besaß, hatte nicht mal einen zu melden. Die persönlichen Daten auf dem Personalausweis? Man konnte sie fälschen. Der Fingerabdruck? Die Apparaturen, die dazu nötig waren, waren bis dato zu kostspielig gewesen, um eine Kontrolle flächendeckend einzusetzen. Nur der genetische Fingerabdruck liefert ein exaktes Bild. Die Informationen sind über Speichel oder Blut einfach abzunehmen und werden durch regelmäßige Arztbesuche seit der Verabschiedung des Gesetzes zur Informationspflicht vor 18 Jahren ohnehin von jedem Bürger freiwillig geleistet. Mit unserer Software wurden die problemlose Verarbeitung und der Abgleich genetischer Daten zwischen Krankenhäusern, Stadtverwaltungen und Institutionen wie Polizei, Schulen und Universitäten erst möglich.“
Die Furcht, die ich eben noch so deutlich gespürt hatte, als Ethan Pearls Namen erwähnte, verwandelte sich nun zusehends in Ärger, während ich seinen Ausführungen lauschte. „Muss man paranoid sein, um zu vermuten, dass du mit deiner Geschäftsidee maßgeblich zu einem Überwachungsstaat beiträgst?“
„Wow, Nia, jetzt fährst du aber scharfe Geschütze auf. Nichts von alldem geschieht ohne politische Zustimmung.“
„Na, da bin ich jetzt aber beruhigt. Sicherlich kann ein Vermögen wie deines nur unwesentlich zur Durchsetzung eigener Interessen dienen. Lobbyarbeit spielt, wie wir alle wissen, in unserem Land nur eine untergeordnete Rolle. Inwiefern hast du eigentlich lediglich die Software geliefert oder dir vielleicht selbst unrechtmäßig Zugang zu persönlichsten Daten verschafft?“ Ich kam langsam wieder in Fahrt.
„Wozu?“, zischte Ethan mich an. Er hatte sich mittlerweile über den Tisch gelehnt. Seine blauen Augen funkelten.
„Wozu? Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Zum Beispiel, um Menschen und ihr Tun zu überwachen. Zum Beispiel, um ihren Aufenthaltsort jederzeit zu kennen. Zum Beispiel, um sie zu klonen.“
Ich hatte mich selbst so in Rage geredet, dass mir die letzte Bemerkung einfach mit herausgerutscht war. Als der Satz im Raum stand, wurde mir selbst klar, wie absurd die Unterstellung klang.
Zum ersten Mal an diesem Abend warf Ethan den Kopf zurück und lachte schallend. „Um Menschen zu klonen? Was für eine Fantasie! Es gibt Ethikkommissionen, die so etwas aus guten Gründen verbieten. Wo sollte ich das machen? Bei mir zu Hause in der Garage?“
Als er mich wieder ansah, wirkte er allerdings nicht mehr so entspannt. Seine Augen wanderten unstet auf meinem Gesicht hin und her.
„Du hast die Möglichkeit und die Mittel dafür.“
„Da fehlt, wenn mein Wissen über zweitklassige TV-Krimis mich nicht täuscht, allerdings noch das Motiv.“
Ich schaute auf meinen Teller. Er hatte recht.
„Macht?“ Ich hatte es bewusst als Frage formuliert.
Ethan holte tief Luft und mit betontem Ernst sagte er: „Netter Versuch, aber falsch.“
Hatte ich mich verhört? Das klang, als gäbe es tatsächlich einen Grund – nur nicht diesen. Einen Grund dafür, Menschen zu überwachen. Viele Menschen. Vielleicht auch mich. Ich merkte, wie mir ein kalter Schauer über den Rücken lief. Die leise Geräuschkulisse um uns herum war wie ausgeblendet. Ich stocherte vergeblich in meinem Essen herum und konnte keinen Bissen
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