Aqualove
herunterbringen. Meine Gedanken arbeiteten fieberhaft. Das alles war absurd. Vorgestern noch hatte mich dieser Mann beeindruckt. Sein zurückhaltendes Wesen, seine Augen, seine schmalen Hände, sein Humor – alles hatte mir gefallen. Natürlich hatte mich seine Arroganz auch schon auf die Palme gebracht. Jetzt gerade jagte mir Ethan Waterman Angst ein.
„Was hat das eigentlich alles mit mir zu tun?“, platzte ich heraus.
„Es ist Zeit, zu gehen.“
Ethan trank sein Glas in einem Zug leer und suchte in seiner Jackentasche nach etwas. Ich legte wie in Zeitlupe die Gabel beiseite und griff mehrmals daneben, als ich meine Tasche von der Lehne ziehen wollte. Ethan war aufgestanden und lief zielgerichtet zum Ausgang. Was war los? Er hatte den Umschlag mit dem Foto in der Hand. Während ich mir meine Jacke überzog und die feuchten Finger an meiner Hose abwischte, sah ich, wie der Kellner Ethans Kreditkarte entgegennahm. Das alles spielte sich wie in einem Film vor meinen Augen ab. Wir hatten uns kontrovers unterhalten. Aber was war dann passiert? Dieses Treffen schien in einer emotionalen Katastrophe zu enden. Mein Weg zum Eingang – Ethan stand wartend an der Tür – zog sich endlos hin.
„Ich bring dich nach Hause“, sagte er, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
„Nicht nötig“, quetschte ich heraus. „Ich kann mir ein Taxi nehmen.“
„Gut.“
Dann drehte er sich ohne Weiteres um und verließ das Restaurant. Die Tür schloss sich hinter ihm, und ich stand allein im Vorraum. Als ich mich wie betäubt umdrehte, fragte der Kellner: „Soll ich Ihnen ein Taxi bestellen?“
Ich überlegte: „Nein, danke. Ich muss noch einen Anruf machen.“ Während er sich diskret abwandte, holte ich mein Mob aus der Tasche. Als ich die Kurzwahltaste drückte, wäre mir das Gerät beinahe aus den zitternden Händen gefallen.
„Hallo?“
„Cola, bist du das? Ich steh hier in einem Restaurant am Seeufer von Davenport. Kannst du mich abholen?“
„Hey, Nia. Was geht? Lange nicht mehr gesehen.“
Mir war jetzt nicht nach Scherzen zumute.
„Kannst du mich bitte abholen?“
„Nia, du klingst komisch. Ist alles in Ordnung?“
„Hör bitte auf zu fragen! Das ist jetzt gerade nicht der richtige Moment für lange Erklärungen. Kommst du?“
„Ja, ja. In zwanzig Minuten bin ich da. Wie heißt der Laden?“
„Warte.“ Ein Blick auf die Speisekarte erbrachte die erwünschte Information: „L’Age d’Or – das Goldene Zeitalter.“
„Dafür hätte mein Schulfranzösisch auch noch gereicht. Gut. Warte. Ich bin gleich da.“
„Danke, Cola.“
Ich fühlte mich besser. Gleich würde ich mit meinem besten Freund zusammen im Auto sitzen, und ich würde Gelegenheit haben, alles in Ruhe zu sortieren. Ich atmete tief ein und aus und versuchte bewusst, die Schultern zu entspannen.
„Mrs. Petit.“
Ich zuckte zusammen: „Ja?“
Plötzlich stand der Keller ganz dicht neben mir. Wie hatte er sich so leise nähern können? Sein ovales Gesicht wirkte wie weiß geschminkt. Mit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an und hatte Schwierigkeiten, die Worte zu begreifen, die er gerade gesagt hatte. Während er sich wieder seinen Gästen zuwandte, als hätte er mich nur kurz verabschiedet, tönte seine leise Stimme mit dem spanischen Akzent noch in meinen Ohren: „Mrs. Petit. Sie müssen die Stadt verlassen. Jetzt. Sofort!“
Warnungen
Cola hatte sich auf der Fahrt schweigend meine Erlebnisse angehört.
Er, der Fels in der Brandung. Mein Freund Cola, der Bär, der mit seinen fast zwei Metern Größe und seiner langsamen Art zu sprechen ohnehin einen entschleunigenden Einfluss auf mich hatte. Er war ein guter Zuhörer, und seine eindringliche, kluge Art würde mich beruhigen. Als er endlich mit seinem Volvo vorfuhr, drückte ich ihn etwas fester als sonst bei unserer Umarmung. Nur kurz flackerte in meiner Erinnerung der Gedanke an seine Entführung auf, die keine gewesen sein sollte. Mein Leben war zu aufregend. Wenn es so weiterging, würde ich das nicht lange überleben.
Ethan hatte mir zwar nicht gedroht, aber es offengelassen, inwiefern er mit seiner Firma DNAssociated in kriminelle Machenschaften verwickelt war. Er hatte Pearls Versuch, sich in sein System zu hacken, erkannt und mich wissen lassen, dass er schlauer war. Ich hatte Cola natürlich auch von der Warnung des Kellners berichtet.
„Du schläfst heute bei mir, Nia.“
„Danke.“ Das musste über die Maßen erleichtert geklungen haben. Meine Füße
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