Aqualove
wurden. Noch seitlich über der Stuhllehne in meiner Tasche kramend, erkundigte ich mich: „Wo bist du aufgewachsen, Ethan?“
„In dem kleinen Ort Grand Rapids in der Nähe von Vancouver. Schule, Kirche, das Übliche. Alles in allem eine unauffällige Kindheit. Mein Vater war Tierarzt und hat mir das Interesse an lebenden Organismen vermittelt.“
„Bist du dort auch geboren?“
„Ja, am 31.08.2004.“
Beiläufig warf ich ein: „Es ist erstaunlich, dass du hier sitzt.“
„Wieso?“ Er sah mich fragend an.
„Weil du eigentlich seit fünf Jahren tot sein müsstest.“
Nur ein kleines Zucken an einem seiner Mundwinkel verriet seine Überraschung. Schweigen senkte sich wie ein schweres Tuch über unseren Tisch. Ich fühlte eine Art traurigen Triumph, als Ethan gepresst antwortete: „Wie kommst du darauf?“
Den Blick fest auf sein Gesicht geheftet, formulierte ich genau: „Die Stadtverwaltung von Grand Rapids führt ein sehr ordentliches Melderegister. In der Abteilung Geburten und Sterbefälle gibt es bis 2030 zwei Register. Die alten Aufzeichnungen auf Papier und die elektronische Aktenverwaltung. In den elektronischen Akten findet sich keine Kopie der Sterbeurkunde von Ethan Waterman. Aber in den schriftlichen Akten, die mittlerweile in ein Archiv in Cedar Falls ausgelagert wurden, liegt eine Kopie des Totenscheins. Das Original wird seit einem Einbruch vermisst. Ethan Waterman: geboren 31.08.2004, gestorben an Herzversagen genau 25 Jahre danach am 31.08.2029. Es gab auch ein Grab auf dem Friedhof, aber der Stein wurde noch im selben Jahr entfernt und das Grab freigegeben. Der Friedhofswärter erinnert sich noch sehr genau daran, weil er für seinen Aufwand großzügig entlohnt wurde.“
Meine Worte hingen in der Luft wie dichter Zigarrenrauch, der sich nur schwerfällig verflüchtigte.
Ethan schaute mir immer noch in die Augen. „Da hatte ich wohl überraschenderweise einen Namensvetter, dem leider kein so langes Leben wie mir beschieden war.“ Ethans Stimme war schneidend. Er schien sich nur mühsam zu beherrschen.
Mich berauschte der Gedanke, ihn so schnell aus der Fassung gebracht zu haben. „Es scheint so, als wäre jemand in dieser Angelegenheit nicht besonders sorgfältig vorgegangen“, bemerkte ich leichtfertig.
„Was man von deiner Freundin Pearl Kurz nicht behaupten kann.“
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. „Was soll Pearl damit zu tun haben? Das sind Ergebnisse meiner Nachforschungen“, versuchte ich hastig richtigzustellen.
„Ach, wirklich?“
Das erhebende Gefühl war wie weggewischt. Meine Atemfrequenz erhöhte sich schlagartig. Das Herz klopfte mir plötzlich bis zum Hals. Wie konnte er wissen, dass Pearl seine Spur aufgenommen hatte? Sie war sorgfältig. Sie war die Beste. Dieser Mann war der große Bruder von Big Brother. Angstschweiß sammelte sich in einem feinen Film auf meinem Rücken.
„Das Tagesgericht und die Vorspeise. Bitte sehr“, unterbrach Dean die Spannung, die zwischen uns lag wie ein bleiernes Band.
„Danke“, presste Ethan heraus, wobei er den Kellner keines Blickes würdigte. Mich hingegen starrte er an, als wollte er ein Loch in meine Stirn lasern. Ich senkte meinen Blick und suchte krampfhaft nach einem Thema, um die Situation zu entschärfen. Jetzt hatte ich Angst.
„DNA. Erzähl mir was über DNA.“
„Desoxyribonukleinsäure. Ich denke, du hast deine Hausaufgaben gemacht.“
Er nahm mir meinen Stift aus der Hand und skizzierte ein paar chemische Verbindungen auf der Papiertischdecke. Für mich hätten es Suaheli oder chinesische Schriftzeichen sein können.
„Wie kamst du auf die Idee, eine neue Software zu entwickeln, die DNA noch genauer aufschlüsselt und codierbar macht?“
„In meiner Abschlussarbeit in Biologie hatte ich bereits festgestellt, dass die meisten Programme diesbezüglich zu umfangreich waren. Die gespeicherten Datenmengen waren zu groß, um sinnvoll damit arbeiten zu können. Die Herausforderung war es, die entscheidenden Daten der DNA herauszufiltern und diese dann in einem leicht verwendbaren Format zu speichern. Die vollständige DNA-Sequenz eines Menschen ist so umfangreich, dass man damit einmal den Äquator beschreiben könnte. Die Kunst bestand in der Vereinfachung der essenziellen Informationen. Die Idee dazu kam mir während meines praktischen Jahrs als Arzt im Bostoner St. James Hospital. Ich praktizierte als Internist.“
Zwei Universitätsabschlüsse – der Kerl war ein Ass.
„Krankenhäuser
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