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Aquila

Aquila

Titel: Aquila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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warmer Vorfrühlingsglanz im glitzernden Turm des John-Hancock-Gebäudes spiegelte.
    Er fühlte sich auf eigentümliche Weise wiederbelebt, als hätte der kurze Flug wie ein Tonikum gewirkt, als reiche die Tatsache, dass er lebendig nach Boston zurückkehrte, schon aus, um seine Energien zu reaktivieren.
    Während er in seinen nur vom gröbsten Dreck befreiten Sachen auf das Taxi wartete, spürte er ein Zittern in den Knien und ein deutliches Nachlassen seiner Reflexe. Sein Gehirn gab dem Körper einfache Anweisungen, aber der Körper befand sich im Bummelstreik und reagierte verzögert. Es kam ihm so vor, als sei Polly seine Pflegerin.
    Die Wohnung in der Chestnut Street hatte sich nicht verändert.
    Neu war nur der knabenhaft hübsche junge Mann mit der gestylten Frisur, der am Küchentisch saß und an seinem dampfenden Tee schnüffelte.
    »Hallo, Darling«, sagte er und winkte mit der Hand. »Bin ich froh, dass du nicht tot bist oder sonst was. Ich bin erkältet und inhaliere gerade Jasmintee. Das ist ein Segen für die Schleimhäute.«
    »Peter –«
    »Sie müssen der Professor sein. Ich bin Peter Shane: Nachbar, 313
    Vertrauter, Mädchen für alles, treuer Freund von Ezzard Charles, dem Kater.« Ezzard sprang auf den Tisch, und Peter schob ihm ein Schälchen Milch hin. »Du hast ja hier ganz schön gehaust, bevor du gegangen bist, Polly. Alle Achtung!«
    »Mein lieber Peter, wovon sprichst du überhaupt?« Sie warf ihren Mantel über die Stuhllehne. »Der Tee riecht gut. Möchtest du auch eine Tasse, Colin? Colin – dich meine ich …«
    »Oh. Ja, gern. Ich glaube, ich setze mich erst mal.«
    »Gute Idee, alter Junge.« Peter schob ihm einen Stuhl hin.
    »Sie sehen aus, als würden Sie den brauchen.«
    Dankbar sank Chandler darauf nieder. Polly machte sich an der Arbeitstheke zu schaffen. Sie stellte Tassen und Untertassen bereit und bestückte den Aufsatz des Toasters mit Muffins.
    »Was meintest du mit ›gehaust‹, Peter?«
    »Mein Gott, wie das hier ausgesehen hat! Verheerend! Ezzard hat oben auf der Tür gesessen und ganz irr geschaut.«
    »Sieht ihm ähnlich«, warf sie leichthin ein, »Ezzards irrer Blick. Aber wir haben das Haus besenrein hinterlassen.«
    »Unsere Verfolger«, murmelte Chandler.
    »Jedenfalls habe ich hier aufgeräumt«, erklärte Peter und inhalierte lustvoll, bevor er einen Schluck trank. »Ich hasse es, wenn meine Nase verstopft ist.«
    »Irgendwann revanchiere ich mich«, versprach sie.
    »Ich bitte dich, Polly! Bei mir wird es nie so aussehen.«
    »Steht noch was über uns in der Zeitung?«, fragte Chandler.
    Polly stellte einen heißen gebutterten Muffin und eine Tasse Tee vor ihn hin.
    »Wissen Sie, das ist komisch.« Er knabberte an seinem Daumen. »Man liest schon seit Tagen kein Wort mehr über Sie beide. Ich habe alle Zeitungen zusammengetragen und alle gründlich gelesen – aber nicht ein einziges Wort, von einem Tag zum andern. Klar, Ruhm ist vergänglich. Doch auf so unheimliche Art? Es ist, als wäre nie über Sie geschrieben worden. Als hätte es die Morde an Davis und dem alten Mann 314
    nie gegeben.« Er sah sie über den Tassenrand hinweg an, während Ezzard mit seinem irren Blick auf Chandlers Muffin zukroch.
    »Ich verstehe das nicht«, sagte Chandler. »Was mich aber durchaus nicht überrascht.«
    »Jemand hat den Hahn zugedreht«, meinte Polly, »und zwar fest.«
    »Das Fernsehen hat auch nichts mehr über Sie beide gebracht.
    Ich habe bei deiner Station angerufen. Die sagten, du wärst mit einem Sonderauftrag unterwegs – so ein Blödsinn!«

    Nach einem Nickerchen duschte Chandler und zog sich an. Er hörte Polly in der Badewanne »Let’s put out the lights and go to sleep« singen. Er blieb ein Weilchen in der offenen Tür stehen und sah zu, wie sie ihre Brüste einseifte und dann aus dem Schaum an ihren Händen Seifenblasen in die Luft pustete. Am späten Nachmittag quetschten sie sich in den Jaguar und fuhren nach Cambridge.
    Zögernd näherten sie sich seinem Haus. In der Geborgenheit des Wagens wirkte alles normal, aber wenn er das Haus bloß ansah, kam seine Angst und alles, was er dort durchgemacht hatte, wieder an die Oberfläche. Von der Veranda aus lugte er durch das Fenster. »Was, zum Teufel …« Er schloss die Tür auf.
    Das Chaos war beseitigt worden. Im Zimmer stand ein neuer Fernseher, die Möbel waren ordentlich gruppiert; jemand hatte den Staub von den Regalen gewischt und sie wieder säuberlich eingeräumt. In allen Zimmern roch es nach

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