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Aquila

Aquila

Titel: Aquila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Humor. Er macht in Moskau einen Witz, und mir tut in Virginia was weh.«
    »Das ist kein Witz mehr«, meinte Stevenson knapp. »Falls es je einer gewesen ist – was ich bezweifle.«
    Aber er wusste, es war zumindest ein Spiel. Wie immer.
    Der alte Herr war der geborene Purist – und ein Perfektionist, selbst noch bei unmöglichen Dingen. Er hörte den jungen Pianisten die »Waldstein« -Oktaven, die aus dem Handgelenk gemeistert werden mussten, als gewagtes Glissando spielen.
    Auch wenn man es akzeptieren konnte, war es dennoch nicht korrekt. Beethoven hätte bestimmt ein Glissando notiert wie im Ersten Konzert, hätte er eins haben wollen. Das Feuer im Kamin am anderen Ende der lang gestreckten, dunklen Tapisserie mit der niedrigen Decke im Gardner Museum warf einen warmen Schein bis zu seinem Platz in der vierten Reihe. Der Wind blies aus Richtung Back Bay Fens und rüttelte am Glas in den hohen Flügelfenstern, die den Blick auf den Garten und auf die deprimierende Düsternis dahinter freigaben. Er spürte die kalte Zugluft an seinen Knöcheln.
    165
    Das Konzert gewährte ihm eine Ruhepause, nachdem er beinahe den gesamten Samstagnachmittag in seinen
    Lieblingsecken des Boston Museum of Fine Arts
    umhergeschlendert war. Früher einmal hatte er die Mußestunden mit seiner Frau in Museen verbracht, obwohl sie beide das Gardner mit seinem italienischen Flair bevorzugten, mit dem Hof voller anmutiger duftender Blumen und der originellen, kapriziösen Platzierung der Bilder. Jeder Besuch barg noch Überraschungen für den alten Herrn, der jetzt allein kam, aber beinahe so oft wie früher.
    Seine Mutter war mit Isabella Gardner befreundet gewesen, und als Junge hatte er die außergewöhnliche Frau kennen gelernt, welche diesen venezianischen Palast aus dem fünfzehnten Jahrhundert gestaltet hatte. Als er ihr begegnete, war sie bereits über siebzig. Sie hatte den ernsten Zehnjährigen vom Beacon Hill mit den knochigen Knien lieb gewonnen. In letzter Zeit waren die Gedanken des alten Herrn zu Isabella Gardner zurückgewandert, weil sie als erster Mensch in seinem Leben gestorben war. Was hätte sie von ihm gedacht, wenn sie gesehen hätte, was er mit seinem Leben angefangen hatte?
    Sein Kopf drehte sich bei dieser Vorstellung.
    Nun, er liebte die Musik. Hatte er junge Freunde? Hier kam es auf die Definition an. Als die Musik endete, hastiger Applaus aufbrandete und Stühle zurückgeschoben wurden, sah er auf die Uhr. Ob man Liam und Andrew als Freunde bezeichnen konnte?
    Eigentlich nicht, obwohl er sie mochte. Die beiden anderen Idioten wollte er lieber unter der Erde sehen.

    Am North Cloister warteten Liam und Andrew auf ihn – ein armseliges durchweichtes Paar, das ziemlich gut zu den beiden Fischbrunnen an der gegenüberliegenden Gartenmauer passte.
    Trotz des Wetters blühten gelbe und lavendelblaue Blumen; Kletterpflanzen rankten sich von oben herab.
    »Guten Abend!« Der alte Herr passte auf, dass er nicht mit den 166
    nassen Regenmänteln in Berührung kam. »Ich will mich kurz fassen. Der Abend endet mit der Mondscheinsonate, die ich auf keinen Fall versäumen möchte.« Er schwieg lange genug, um sie beide fixieren zu können – Auge in Auge. »Ich bin enttäuscht, weil Sie nicht weiter kommen. Sie haben keinerlei Fortschritte gemacht. Es wird langsam Zeit. Ich weiß, wer die Mörder von Bill Davis und Mr. Underhill sind.« Er beschrieb sie in allen Einzelheiten – einschließlich des Wundverbandes und ihrer diversen Verletzungen und wie sie dazu gekommen waren.
    »Ich weiß auch, dass die beiden ihr Ziel noch nicht erreicht haben. Chandler hat das Weite gesucht, und das fragliche Dokument bleibt unauffindbar. Stöbern Sie die Typen auf.
    Beobachten Sie die Harvard Motor Lodge, beobachten Sie Brennan … Denken Sie daran, dass Sie im Vorteil sind, weil Sie über die beiden anderen Bescheid wissen, während die keine Ahnung von Ihnen haben. Vielleicht führen sie Sie zu Chandler und dem Dokument … Sie arbeiten übrigens für die Russen.
    Egal, was die Gegenseite so dringend haben möchte – wir wollen es auch.«
    Er sah, wie ihnen die Neuigkeiten zu schaffen machten, und einen Augenblick lang taten sie ihm leid. Jede komplizierte Lage klärte sich, wenn man beide Seiten kannte, oder zumindest zwei aller vorhandenen Seiten. Andrew nahm seine Nickelbrille von der Nase und wischte mit einem zerknitterten weißen Taschentuch die Regentropfen ab. Liam verschränkte die Arme über der Brust und wippte auf den

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