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Aquila

Aquila

Titel: Aquila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Holzstreben und den dünnen Zuckerbäckerpfosten sah man riesige Fenster. Das Haus war eindeutig als Sommerdomizil gedacht. Wie alle Gebäude ringsum stand es auf einer Felsplatte, ohne unterirdische Kanalisation und ähnliche Dinge. »Erinnert mich an Psycho«, sagte sie leise. »Wenn jetzt Anthony Perkins die Tür aufmacht …«
    Chandler holte tief Luft und fuhr weiter bergan. Er parkte den Wagen direkt neben einer immergrünen Pergola dicht an der Verandatreppe. »Gehen wir«, sagte er. Rasch stapften sie durch den Regen, der über ihnen auf die Schindeln prasselte, auf die Veranda. Über der Tür ging das Licht an, und auf der Schwelle stand leicht gebeugt ein großer, schlanker, weißhaariger Mann mit einer beigen Strickjacke über dem karierten Hemd.
    »Professor Chandler, nehme ich an. Ich bin Percy Davis.
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    Kommen Sie rein! Ich bin froh, dass Sie den Weg hierher gefunden haben.« Mit einer einladenden Handbewegung bat er sie herein und nahm ihnen die Mäntel ab. »Höllische Nacht, höllische Nacht.« Sie betraten einen warmen Empfangsraum mit einer Theke, einer vorsintflutlichen Telefonanlage, einem Schwarzen Brett mit Notizen vom letzten Sommer und dem Kalender einer ortsansässigen Auto-Reparaturwerkstatt. Ergänzt wurde die Einrichtung von ein paar dick gepolsterten Sesseln, einem Rosshaarsofa und zwei Bücherschränken mit Glastüren.
    Eine Treppe führte nach oben. Das Restaurant mit Blick auf Veranda und Meer lag im Dunkeln.
    Chandler stellte Polly vor.
    Percy Davis nickte kurz. »Ich hatte sie sofort erkannt, Miss.
    Sie sind nicht gerade anonym hier bei uns.« In seinem Ton schwang leichtes Bedauern mit, als zähle Anonymität zu den höchsten irdischen Gütern. »Sie sind nicht beruflich hier, oder?«
    Chandler erkannte die trockene, zerbrechliche Stimme vom Telefon wieder.
    »Ich will hier keine Kameras, die mich in den ganzen Schlamassel reinziehen …« Kopfschüttelnd drohte er Polly mit dem Zeigefinger. »Der Mensch hat ein Anrecht auf seine Privatsphäre. So bestimmt es das Gesetz –«
    »Keine Bange, Mr. Davis«, beruhigte ihn Polly. »Ich bin rein privat hier, als Freundin.«
    Percy Davis musterte sie mit zweifelnd zusammengekniffenen Augen und hakte seinen Daumen in die Jackentasche. Er trug teure Kleidung, hatte sich aber etwas bewahrt, was man in Maine mit ungeschliffen bezeichnet.
    »Na gut, vielleicht nicht nur als Freundin«, räumte Polly unter seinem Blick ein. »Aber ich habe keine Kamera dabei und keine Mikrofone –«
    »Dann sehen Sie zu, dass nicht plötzlich welche aus dem Nichts auftauchen, junge Dame! Und nun zur Sache, Professor.
    Kommen Sie mit raus in die Küche.«

173
    Sie folgten ihm durch das unbeleuchtete Restaurant mit seinen kahlen Tischen und hochgestellten Holzstühlen, durch eine Pendeltür an der Speisekammer vorbei in eine geräumige, helle und saubere altmodische Küche. Der Boden war mit echtem gemustertem Linoleum ausgelegt. Es gab ein Holzgestell für die Geschirrtücher und einen gummibeschichteten Ständer zum Abtropfen des Geschirrs. In der Küche roch es nach Seife und Kaffee, und man sah schon auf den ersten Blick, dass Percy Davis für makellose Sauberkeit sorgte.
    »Sie können doch nicht rund ums Jahr hier wohnen!«, sagte Chandler.
    »Könnte ich schon, wenn ich wollte«, erwiderte Percy, während er in einem Schrank kramte. »Aber so einen Unsinn mache ich nicht. Ich komme wochenweise hier raus, zum Heizen und Saubermachen. Ach, da ist es ja, hinter den Töpfen und Pfannen.«
    Nervtötend langsam und bedächtig zog er ein Päckchen hervor.
    Chandler deutete mit dem Kopf darauf. »Sieh da – der Macguffin!«
    »Schlechtes Timing für Ihre Späßchen«, sagte sie kaum hörbar. »Dafür sind Menschen gestorben, Colin …«
    »Hier haben wir es«, erklärte Davis. »Es ist noch so verpackt, wie es ankam. So hat es im Umschlag gesteckt. Ich habe Ihnen Mr.
    Underhills Brief vorgelesen. Hier ist er.« Er reichte Chandler das dicht beschriebene Blatt. »Gehen wir doch rüber in die Bibliothek. Dort brennt ein hübsches gemütliches Feuer.«
    Nachdem er erkannt hatte, dass Percy Davis kein Mann war, der sich zur Eile antreiben ließ, zügelte Chandler seine Ungeduld und folgte Polly und dem alten Knaben zurück zum Empfang und von dort in einen Raum, der fünfzig Jahre vorher als Salon gedient haben mochte, nun aber mit einem Dutzend unterschiedlicher Bücherregale bestückt war, die offenbar über Jahre hinweg bei Wohnungsauflösungen

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